Black Rabbit Summer
Nachhinein festgestellt, dass sie einfach von zu Hause weggelaufen waren, aber von den neun anderen werden sechs immer noch vermisst und drei sind tot. Zwei Mädchen und ein Junge.«
»Wie sind sie gestorben?«
»Zwei durch Erhängen, eine an einer Verletzung mit einem Messer. Alle drei Morde sind bis jetzt unaufgeklärt.«
»Scheiße, Dad«, flüsterte ich. »Das könnte ja bedeuten –«
»Es
könnte
alles bedeuten, Pete. Das ist das Problem. Es gibt bisher kein Muster, das zu den Fällen passt. Keiner der Jugendlichen, die vermisst wurden, kannte die andern, keiner hatte irgendwas mit den andern gemeinsam und es gibt auch sonst keine deutlichen Parallelen zwischen den drei Morden. Das Einzige, was alle drei Fälle verbindet, ist die Kirmesplatz-Übereinstimmung, aber selbst in diesem Punkt steht das Ganze auf ziemlich wackligen Füßen.«
»Ja, aber wenn es jedes Mal dieselbe Kirmestruppe –«
»War es aber nicht. Zwei der Jugendlichen verschwanden von einer Kirmes, die Bretton’s Funfair organisierte, zwei andere verschwanden nach dem Besuch einer gewissen Funderstorm |367| Fair. Doch die beiden Truppen waren nie in denselben Städten und alle vier Fälle geschahen zu unterschiedlichen Zeiten. Die übrigen Jugendlichen verschwanden von anderen Kirmes-Veranstaltungen. Andere Kirmes, andere Zeit, anderer Teil des Landes. Das heißt, wenn da draußen jemand rumläuft, der sich die Jugendlichen schnappt, dann ist es wahrscheinlich keiner, der auf der Kirmes arbeitet.«
»Es sei denn, er zieht viel rum und arbeitet für verschiedene Kirmesausrichter«, schlug ich vor.
Dad zuckte die Schultern. »Dann müsste er aber für eine
Menge
Firmen arbeiten.«
»Ja, aber unmöglich ist es nicht, oder?«
»Ich denke, nein...«
»Und wenn –«
»Hör zu, Pete«, sagte er ruhig. »Verrenn dich nicht zu sehr in die Sache, ja? Im Moment sind das alles nur Spekulationen und die Chance ist ziemlich groß, dass das Ganze am Ende ins Leere läuft. Ich hab die Ergebnisse an John Kesey weitergegeben und er sieht zu, dass er jemanden findet, der nach weiteren Details sucht, aber ich will nicht, dass du dir allzu große Hoffnungen machst.« Er sah mich an. »Ja, ich
weiß
, dass das unlogisch ist – dir erst Anlass zur Hoffnung zu geben und dann zu sagen, du sollst dich nicht verrennen... natürlich klingt das dämlich. Vielleicht ist es das auch. Aber ich wollte nur, dass du weißt –«
»Der Mann mit dem Schnauzbart«, sagte ich plötzlich.
»Was?«
»
Er
könnte es sein.«
»Wovon sprichst du? Was für ein Mann?«
Ich sah Dad aufgeregt an. »Als ich die Kirmes verließ, hab ich doch diesen merkwürdig aussehenden Typen gesehen, |368| der am Ausgang herumhing, und später hab ich ihn noch mal gesehen, wie er in den Drecksweg einbog.«
Dad runzelte die Stirn. »Was meinst du mit
merkwürdig aussehend
? Was hat er getan, dass er dir merkwürdig vorkam?«
Er stand im Schatten
, überlegte ich.
Und betrachtete eine Vision von Raymond auf einem nicht vorhandenen Karussell. Eine Kirmesorgel spielte, ich hörte Kinderlachen und ich sah Raymond auf einem samtschwarzen Pferd, das kein Pferd war, sondern ein pferdgroßes Kaninchen mit leuchtenden schwarzen Augen, und ich wollte zu ihm auf das Karussell... ich wollte, dass wir zusammen auf diesen Pferde-Kaninchen reiten wie zwei verlorene Cowboys, immer im Kreis...
Es war zu spät.
»Er hatte einen Schnauzbart«, murmelte ich.
»Das ist alles?«, fragte Dad. »Er war unheimlich, weil er einen Bart trug?«
»Nein... er war unheimlich, weil... keine Ahnung. Ich meine, er hat nicht richtig was
getan
, er hat bloß so rumgehangen, verstehst du... im Schatten herumgelungert und Leute beobachtet, die die Kirmes verließen.«
»Hast du ihn mit jemandem sprechen sehen?«
»Nein.«
»Hast du den Mann irgendjemandem gegenüber erwähnt?«
»Ich hab es Kommissar Barry gesagt.«
»Wollte er eine Beschreibung?«
Ich schüttelte den Kopf. »Es schien ihn nicht besonders zu interessieren.«
»Okay«, sagte Dad und zog einen Stift und ein Notizbuch aus seiner Tasche. »Wie sah der Mann aus?«
|369| Das Einzige an dem Mann mit dem Schnauzbart, woran ich mich richtig erinnern konnte – abgesehen von dem Bart selbst natürlich –, war, dass er ein bisschen merkwürdig aussah, leicht gebeugt, und dass er mich an einen überbesorgten Vater erinnert hatte, der sein Kind im Auge behielt... doch es waren keine Kinder auf dem Karussell gewesen. Das war nicht gerade viel und ich war
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