Black Rabbit Summer
durchsuchen, sich seine Verhältnisse anschauen und gucken, ob sie irgendwas finden. Das tote Kaninchens, den Stall und so weiter untersuchen sie schon. Es sieht übel aus dort nach dem Regen, sodass sie wahrscheinlich nicht viel an Fußspuren oder Ähnlichem finden werden, doch vielleicht erfahren sie etwas durch das Kaninchen –«
»Ich hab meinen Rucksack dortgelassen«, sagte ich, mich plötzlich erinnernd.
»Was?«
»Meinen Rucksack... ich hab ihn im Schuppen gelassen, |276| als wir zur Kirmes gegangen sind.«
»Warum?«
»Warum was?«
Dad seufzte. »Warum hast du deinen Rucksack in Raymonds Schuppen gelassen? Was war drin?«
»Die Flasche Wein«, sagte ich und kam mir dabei ziemlich dämlich vor. »Du weißt doch, die Flasche, die ich dir geklaut hab... ich hab sie in dem Rucksack verstaut, Mum sollte sie nicht sehen, als ich ging.«
Dad grinste. »Hast du geglaubt, ich würde sie nicht vermissen?«
»Ja, ich denk schon...«
Er nickte. »Hat er wenigstens geschmeckt?«
»Nicht wirklich...« Ich sah ihn an. »Tut mir leid.«
Er lächelte. »Spielt keine Rolle.«
Spielt keine Rolle.
Das geflüsterte Echo kam oben von der Kommode.
»Was?«, murmelte ich und warf einen Blick auf das Kaninchen aus Porzellan.
»Was ist?«, fragte Dad.
Ich sah ihn an. »Was?« Er starrte für einen Moment auf das Kaninchen, dann wandte er sich wieder zu mir um. »Was ist los mit dir?«
»Nichts... ich dachte, ich hätte etwas gehört, das ist alles. Eine Maus oder irgendwas... hinter der Kommode.«
Dads Augen verengten sich, während er noch einmal zu dem Kaninchen hinüberblickte, und ich sah in seinem Blick einen Verdacht aufkeimen.
»Wo haben sie Stellas Sachen gefunden?«, fragte ich schnell, um ihn abzulenken.
»Was ist?«
|277| »Stellas Sachen... Dad?«
»Am Fluss«, sagte er, während er weiter das Kaninchen betrachtete.
»Ja, das weiß ich... wo genau am Fluss?«
Endlich riss er sich von der Betrachtung des Kaninchens los und wandte sich wieder mir zu. »Sie lagen im Gebüsch am unteren Ende der Böschung, direkt hinter dem Wohnwagen.«
»Am
Wohnwagen
?«
Er nickte. »Auf dem Wohnwagen war auch etwas Blut. Hinten... da wo die Büsche sind, auf der Seite. Die Kriminaltechniker überprüfen es. Den Wohnwagen haben sie schon durchsucht, jetzt verhören sie den Besitzer.«
»Raymond kennt ihn«, sagte ich und setzte mich gerade.
»Wen?«
»Den Typen, der in dem Wohnwagen lebt... wir haben ihn am Samstagabend oben an der Straße gesehen, als wir zur Kirmes gingen. Er kam gerade über die Schranke. Raymond hat ihm zugenickt, verstehst du... so als ob er ihn kennen würde. Und der Typ hat zurückgenickt. Als ich Raymond fragte, wer das sei, meinte er, das wisse er nicht, er hätte ihn nur ein paar Mal unten am Fluss gesehen.«
»Er heißt Tom Noyce«, erklärte mir Dad. »Er wurde irgendwann heute Morgen zum Verhör abgeholt. Seine Mutter arbeitet auf der Kirmes. Sie ist Wahrsagerin.«
»Sie ist
was
?«
»Wahrsagerin. Du weißt schon... Tarotkarten, Kristallkugeln, lauter so Zeug. Sie nennt sich Madame Baptiste, doch ihr richtiger Name ist Lottie Noyce. Soweit wir wissen, hilft ihr der Sohn manchmal und er scheint mit den übrigen Schaustellern herumzuziehen, doch aus irgendeinem Grund |278| stellt er seinen Wohnwagen immer weit entfernt von den anderen Fahrzeugen ab...«
Ich versuchte zuzuhören, als Dad weiterredete, aber mein Kopf füllte sich wieder mit Fliegen. Unzusammenhängenden Fliegen, Fliegen, die Verbindungen zueinander hatten, alten Fliegen und neuen Fliegen. Die alten Fliegen waren noch da und kreisten wild brummend herum – Campbell und Pauly, Pauly und Eric, Eric und Campbell, Stella und Raymond, Nicole und ich –, aber auf einmal kam noch ein ganzer Haufen neuer Fliegen dazu. Tom Noyce und Raymond, Tom und seine Mutter, Lottie Noyce, Madame Baptiste, Raymond und Madame Baptiste...
Es ist dein Schicksal, Raymond.
Es gibt kein Leben ohne den Tod.
Das Pik-Ass
...
Fliegen.
»Pete?«
Ich bekam nichts zusammen.
»Pete?«
Es waren zu viele Fliegen.
»Hörst du mir überhaupt
zu
, Pete?«
Ich sah Dad an. »Was?«
»Ich habe gesagt, ich gebe John Kesey Bescheid wegen Raymond und Tom Noyce. John hat zwar nicht selbst mit dem Verhör zu tun, aber er wird schon einen Weg finden, den Hinweis so weiterzugeben, ohne dass klar wird, von wem er stammt.« Er sah mich an. »Bist du Tom Noyce am Samstag nur dieses eine Mal begegnet?«
»Ja.«
»Auf der Kirmes hast du ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher