Black Rain: Thriller (German Edition)

brauchen als Geister.«
    Während der Sprechgesang wieder anschwoll, hatte Danielle das deutliche Gefühl, dass die Lage außer Kontrolle geriet. Sie befürchtete, die Chollokwan würden in großer Zahl angreifen, und sie befürchtete fast ebenso sehr, dass Verhoven genau das wollte, nur um zu beweisen, wozu er in der Lage war.
    Sie sah Hawker an. Er wirkte gelassen, beinahe amüsiert. Er schüttelte ruhig den Kopf, und seine Augen schienen zu sagen, es werde keinen Ärger geben, Verhoven und die Eingeborenen prahlten nur und plusterten sich auf wie Jugendliche beim Weitpinkel-Wettbewerb.
    Sie drehte sich in der Hoffnung, dass er recht hatte, wieder zum Wald um, und genau in diesem Moment hörte der Gesang auf.
    »Und jetzt?«
    Verhovens Männer waren mittlerweile zur Gruppe gestoßen, und er wies sie an, die vier Himmelsrichtungen zu besetzen, zwischen den Expeditionsteilnehmern.
    Danielle befürchtete, dass vier bewaffnete Männer nicht ausreichten. Sie starrte ins Dunkel und hielt nach dem stämmigen Träger Ausschau, der die zusätzlichen Gewehre holen sollte. Sie sah ihn nicht und fragte sich, wofür er so lange brauchte. »Sollen wir die Scheinwerfer einschalten?«
    »Noch nicht«, sagte Verhoven.
    Neue Rufe drangen aus den Bäumen, während die roten Punkte auf dem Monitor immer zahlreicher wurden und der akustische Alarm ununterbrochen piepste.
    »Vorsicht!«, rief Polaski.
    Alle duckten sich. Eine Feuerspur flog in hohem Bogen durch den dunklen Himmel auf sie zu. Das Geschoss landete zu früh und hüpfte merkwürdig über den Boden; es erinnerte an die bolas der Gouchos und brannte an beiden Enden. Das trockene Gras ringsum entzündete sich, während weitere Brandgeschosse in ihre Richtung geflogen kamen.
    »Alle runter«, sagte Verhoven.
    Die Feuerspuren zogen in seltsam schwankenden Bahnen durch die Luft, zwei Flammenkugeln, die umeinander kreisten, an einem Stück Seil. Funken stoben auf, wenn sie zu Boden stürzten. Zehn, zwanzig, noch mehr regneten eine nach der anderen aus allen Richtungen auf sie herab.
    Susan begann mit den Füßen Sand auf die Feuerzungen zu schippen, die ihnen am nächsten kamen. McCarter half ihr, aber das dürre Gras verbrannte ohnehin rasch zu Asche, und es bestand keine echte Gefahr.
    Jetzt kam auch der Träger mit vier Gewehren und einer Box Munition zurück.
    Verhoven nahm sie ihm ab.
    »Teilen Sie sie aus«, befahl Danielle. Der Sprechgesang ringsum klang nun anders, dunkler und unheilvoller; er pflanzte sich rings um die Lichtung fort, indem eine Stimme nach der anderen ein einziges Wort wiederholte.
    Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, erkannte Devers das Wort, aber diesmal übersetzte er es nicht. Das war ein schlechtes Zeichen.
    Danielle sah auf den Computerschirm, überall waren Zielobjekte, mehr als man zählen konnte. Sie sah Devers an.
    »Weiße Gesichter«, sagte er, als er ihren wütenden Blick auffing.
    »Was bedeutet das?«
    »Das Weiße Gesicht ist ein Geist. Der den Tod bringt.«
    Nicht lange, und die rufenden Stimmen begannen wie ein Appell zu klingen. Ein Chollokwan nach dem anderen meldete seine Anwesenheit, sie schrien dabei aus Leibeskräften und steigerten sich in Raserei. Danielle schätzte ihre Zahl erst auf über fünfzig, dann auf mehr als siebzig und schließlich noch höher.
    Neben ihr erhob sich Hawker. Er trat vor, als Verhoven gerade das letzte Gewehr ausgeben wollte. »Gib das lieber mir«, sagte er.
    Verhoven zögerte einen Moment, dann drückte er ihm die Waffe in die ausgestreckte Hand.
    Danielle warf einen weiteren Blick auf Hawker, doch diesmal fand sie keinen Trost in seinen Augen. Sie waren kalt und hart. Er sah nicht mehr amüsiert aus.
    »Das sind wahnsinnig viele da draußen«, sagte einer von Verhovens Männern. »Mindestens hundert, vielleicht mehr.«
    Verhoven widersprach. Er blickte auf den Schirm mit den vielen aufblitzenden Punkten. »Es sind bei weitem weniger. Und mit Sicherheit weniger, als sie uns glauben machen wollen.« Er sah den Mann böse an.
    »Mag sein«, sagte Devers, »aber die Jungs sind auf dem Kriegspfad. Sie sehen sich als Todesgeister. Sie malen sich mit weißer Farbe an und gehen auf Streifzug, glauben, die weiße Farbe mache sie unbesiegbar wie Weißes Gesicht, der ihrer Vorstellung nach tot ist. Sie denken, dadurch geschützt zu sein, denn wenn man bereits tot ist, kann man nicht mehr getötet werden.«
    Wie als Antwort auf Devers Worte verstummten die Stimmen schlagartig. Danielle sah sich um, noch