Black Rain: Thriller (German Edition)
restlichen Nacht sah die Gruppe zu, wie die Flammen um sie herum brannten. Gelegentlich brandete neuer Gesang auf, besonders wenn die höheren Äste Feuer fingen, aber die Chollokwan unternahmen keinen Versuch, auf die Lichtung vorzudringen. Als der Morgen graute, zogen sie sich in den Wald zurück und verschwanden.
Die Feuer um die Lichtung herum brannten weiter. Doch obwohl der Wald für Amazonasverhältnisse trocken war, war es nicht die Art ausgetrocknetes Buschland, das zu einer Flammenhölle führte. Das feuchte Laubwerk verschmorte nur, brannte aber nicht.
Mit den kühlen Morgennebeln begannen die Feuer auszugehen. Asche und Rauch dünnten im Lauf des Vormittags aus, und bis zum Nachmittag erinnerten nur noch schwelende, verkohlte Baumstümpfe an die Ereignisse der Nacht. Der Gruppe blieb die bange Erwartung, was die nächste Begegnung bringen mochte.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Ein bitterkalter Morgen war über Washington, D.C., heraufgezogen, ein Morgen mit wolkenlosem blauen Himmel und Rauchfahnen in der Ferne. Die Sonne hing hell und tief am Horizont, doch trotz allen Funkelns blieb sie ein schroffer und distanzierter Gefährte, nicht mehr als eine Kerze auf dem Kaminsims der Welt. Keine Wärme war an diesem Tag zu spüren, nicht im Sonnenlicht, nicht in der Luft. Stuart Gibbs erschien das angemessen für einen Tag, an dem das NRI einen der Seinen zu Grabe trug.
Gibbs hatte in der Kälte gestanden und hatte die Trauerrede gehalten. Er hatte es kurz gemacht, im Interesse derer, die sich an einem solchen Tag im Freien versammelten. Er hatte der Familie sein Beileid ausgedrückt, sich dann respektvoll entfernt und zugesehen, wie andere vortraten, um der Witwe von Matthew Blundin zu kondolieren.
Er beobachtete, wie sie mit ihr sprachen, sie umarmten, ihre Hand hielten. Er stellte sich vor, was sie sagten; freundliche Worte, zweifellos, Worte der Anteilnahme für ihren Verlust und Lob für die Arbeit, die ihr Mann geleistet hatte. Niemand würde erwähnen, dass man ihn am falschen Ende der Stadt gefunden hatte, erschossen und ausgeraubt in einer Straße, die für ihre Drogendealer und Prostituierten bekannt war. Niemand würde fragen, ob sein Hang zum Alkohol und seine nächtlichen Streifzüge zu ihrer Trennung und bevorstehenden Scheidung geführt hatten, oder ob eins dieser Laster eine Rolle bei seinem Hinscheiden gespielt haben könnte. Sie würden das alles natürlich denken, aber sie würden es nicht aussprechen, denn der Tod war nicht nur der große Gleichmacher, sondern auch der große Tilger aller Missetaten. In seinem Kielwasser würden Blundins Fehler und schlechte Gewohnheiten vergessen und sein Witz und seine Klugheit zur Legende erhoben werden.
Gibbs beobachtete die Prozession zerstreut und voller Unbehagen, wobei er die Zeitung in seiner Hand immer fester zusammenpresste. Er hatte im Augenblick nur mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Das Team im Regenwald war von Eingeborenen angegriffen worden, jemand hatte das Computersystem gehackt und veranlasst, sich selbst auszuspionieren, und sein Sicherheitschef – der Einzige, dem Gibbs zugetraut hätte, den Übeltäter zu finden – war tot und begraben.
Zu wenig, dachte Gibbs. Der Mann hat mehr verdient.
Für die meisten Teilnehmer der Trauerfeier stellte der Tod des Sicherheitschefs nur eine Fußnote in ihrer eigenen jeweiligen Geschichte dar. Selbst für seine Witwe würde das Leben ohne ihn weitergehen – sie hatte ohnehin bereits damit begonnen. Für Stuart Gibbs und das NRI jedoch war es ein gewaltiges Ereignis, und Gibbs konnte das Gefühl, das Schicksal habe seinen Lauf geändert, ebenso wenig abschütteln wie die kalte Winterluft.
Nicht lange und die Menge begann sich zu zerstreuen. Bald wandten sich selbst Blundins Witwe und ihre Begleiter zum Gehen und machten sich langsam auf den Weg zum Parkplatz.
Gibbs blieb noch zwanzig Minuten allein zurück, dachte an Blundin, das Regenwaldprojekt und die verschiedenen Szenarien, die sich jetzt ergaben. Erst als die bitterkalte Luft durch seinen Mantel drang, machte er sich ebenfalls auf den Weg zum Parkplatz.
Als er dort eintraf, stand nur noch sein Wagen da. Doch als er nach dem Schlüssel griff, näherte sich ein anderes Fahrzeug, ein silberner Mercedes mit getönten Scheiben.
Er sah zu dem Wagen und wartete darauf, dass er vorbeifuhr. Aber der Mercedes hielt neben ihm, und die Scheibe im Fond senkte sich geräuschlos.
»Stuart Gibbs?«
Gibbs zögerte, er konnte nicht viel im Wagen
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