Black Rain: Thriller (German Edition)

nicht für das, was er gesehen hatte. Für ein Messer im Rücken vielleicht oder ein paar Schläger in einer dunklen Gasse, aber nicht für eine speziell ausgerüstete Kampfmaschine wie den NOTAR. Deren Waffenaufsätze allein beliefen sich auf eine Million Dollar.
    Aber was dann? Gold? Diamanten? Konnte es so einfach sein? Er rammte die Schaufel wieder in die Erde. Es ergab keinen Sinn. Das NRI war eine strategische Organisation. Wenn es hier hinter etwas her war, dann musste das von hoher politischer oder wirtschaftlicher Bedeutung sein. Und die einzige Antwort, die ihm auf Anhieb einfiel, war Öl.
    Der Mittlere Osten war nach wie vor in Aufruhr, ein paar Bomben konnten das absolute Chaos auslösen und den Ölpreis auf neue Rekordmarken steigen lassen. Und bisweilen war Schwefel ein geologischer Hinweis auf Öllagerstätten, aber andere Kriterien für eine solche Vermutung fehlten dafür gänzlich.
    Zunächst einmal brauchten die Brasilianer das NRI nicht, um Öl zu suchen, und das NRI konnte es gewiss nicht heimlich abpumpen. Was im Übrigen auch kein Gegenspieler tun könnte. Welchen Sinn sollte also eine Ölsuche haben?
    Nein, beschloss er, es ging hier nicht darum, irgendeinen Claim abzustecken; das Unternehmen war ein Raubüberfall, zwei Diebe, die sich um den Schmuck in einem fremden Haus stritten. Hinter welchem Schatz die beiden Gruppen auch her sein mochten, er musste tragbar sein und keine Handelsware, etwas, das einzig dadurch wertvoll war, dass man es besaß.
    Hawker stand auf, wischte sich den Schweiß aus den Augen und gestand sich ein, dass er nicht erraten konnte, wer hinter dem Angriff steckte und warum. Aber als sein Blick auf den Mann fiel, den er gerade bestattete, wurde ihm plötzlich klar, wie es sich abgespielt hatte.
    Für Hawker, Polaski und alle anderen im Lager war der Flug überraschend gekommen, ein kurzfristig anberaumter Einsatz, der notwendig wurde, weil sie von der Tragödie in Washington erfuhren. Aber irgendwer hatte ihn sorgfältig und präzise geplant und dafür gesorgt, dass Hawker und Polaski genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.
    Es gab keine andere logische Erklärung. Der NOTAR musste von weither gekommen sein. Und um sie abfangen zu können, musste der Pilot genau gewusst haben, wann Hawker und Polaski das Gebiet durchfliegen würden. Eine Abweichung von zehn Minuten nach vorn oder hinten hätte das Unterfangen zum Scheitern verurteilt. Um Polaski rechtzeitig nach Washington zu bringen, hatten sie den Dschungel unverzüglich verlassen müssen. So war es eingefädelt worden; der Zwischenfall mit Polaskis Tochter war nur der Auslöser gewesen.
    Es bestand also die Möglichkeit, dass die Sache mit Polaskis Tochter ein Schwindel gewesen war, um die ganze Situation leichter zu steuern. Andererseits schuf so ein Bluff wieder neue Probleme, was die Möglichkeit einer Überprüfung anging, bei der die Wahrheit ans Licht kam.
    Im letzten Jahrzehnt hatte er gelernt, wie entschlossen bösartige Menschen gegenüber ihren Mitmenschen sein konnten. Nicht einfach nur gewalttätig, sondern extrem brutal bei der Verfolgung ihrer Ziele. Solche Männer zerstörten ohne weiteres eine ganze Familie, nur um eine Figur auf dem Schachbrett zu verschieben.
    Hawker legte den Spaten beiseite und mahlte mit dem Kiefer. Ob der Unfall passiert war oder nicht, Polaski war in der Annahme gestorben, seine einzige Tochter sei ebenfalls dem Tod nahe, und er hatte unbedingt nach Hause zu ihr und einer trauernden Frau gewollt. Dieser Mann war nun tot, und sowohl direkt als auch indirekt hatte Hawker eine Rolle dabei gespielt.
    Ihm war schlecht vor Schuldgefühlen, als er Polaski sanft in das flache Grab legte und ihm die Arme über der Brust faltete. Als er anfing, die Leiche mit Erde zu bedecken, lastete der Tod des Mannes schwer auf ihm. Er dachte an seinen Handel mit Danielle; tatsächlich war er es gewesen, der sein Schweigen und seine Loyalität für ihre Unterstützung angeboten hatte. Arrogant zu glauben, er könnte sowohl schweigen als auch jene schützen, die ahnungslos an dem Unternehmen teilnahmen. Sein Schweigen hatte zu der Kette von Ereignissen gehört, die Polaski das Leben kosteten. Es hatte dazu beigetragen, Polaski und die anderen davon zu überzeugen, sie seien nicht in Gefahr.
    Die anderen …
    Hawker fragte sich, was aus ihnen geworden war. Wenn ihre Feinde seine und Polaskis Route gekannt hatten, mussten sie auch gewusst haben, wo sie ihren Anfang nahm: bei dem streng bewachten