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Black Rose

Black Rose

Titel: Black Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Black Rose
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er sagte.
    Ein bitteres Lächeln hob sich scharf von Morrisons Lippen
ab. »Ein schrecklicher Prozess«, erwiderte er. Verstohlen sah der Anwalt sich
um, um sich zu vergewissern, dass der Hausmeister, der gerade in einer Ecke der
Caféteria den Fußboden wischte, seine Worte nicht hören konnte. »Die meisten
Leute, die ich verteidige, sind tatsächlich schuldig; aber der hier ist es
nicht. Wenn ich nur einen Fehler mache, wird er lebenslänglich für etwas einsitzen,
was er nicht getan hat. An Tagen wie diesem denke ich dann doch immer wieder,
ich hätte meine Zeit lieber damit verbringen sollen, Ärzte zu verklagen, wie
ich ursprünglich vorgehabt hatte.«
    Morrison war inzwischen nicht nur berühmt, sondern bei
Gericht zur Legende geworden. Mit dem ausdruckslosen Gesicht eines Stenographen
lauschte Conrad den Worten Morrisons, der der festen Ansicht war, diesmal keine
Chance gehabt zu haben.
    »Der einzige Zeuge, den ich habe, ist der Angeklagte, und
der ist ein solches Nervenbündel, dass er wahrscheinlich in dem Moment
zusammenbrechen wird, in dem er aussagen soll.«
    Morrison kratzte sich an der Wange, während er seinen Blick
unruhig durch den Raum schweifen ließ. Andere Männer mochten auf und ab gehen
und ihre Frustration hinausschreien, Morrison saß vollkommen still da und
folgte dem Kampf, der in seinem Kopf tobte, mit einer fast explosiven
Intensität.
    »Haben Sie bei all den Prozessen, die Sie in Ihrem Leben
verfolgt haben, je einen erlebt, bei dem ein Strafverteidiger gegen sämtliche
Regeln verstoßen und etwas getan hat, was er nicht hätte tun sollen, weil er
wusste, dass dies die einzige Möglichkeit sein würde, seinen unschuldigen
Mandanten zu retten?«
    Conrad blickte Morrison fest in die Augen. »Sie meinen
betrügen, aber nur ein wenig? Dass man um einer guten Sache willen zum Lügner
und Betrüger wird?« Er hielt inne. »Kann schon sein, dass das mal vorgekommen
ist … Oder? Nein, ich bin sicher, dass es nicht so war. Zumindest hat bei den
Prozessen mit mir als Stenographen nie jemand etwas bemerkt oder gewusst.
Natürlich mit Ausnahme des betreffenden Anwalts – der wird für den Rest seines Lebens
wissen, dass er versagt hat, als es zum ersten Mal wirklich darauf angekommen
ist zu zeigen, was für eine Art Mann, was für eine Art Anwalt er ist. Noch
schlimmer ist allerdings das, was er nie erfahren wird.«
    »Nie erfahren wird?«, fragte Morrison, der in dem strengen,
zugleich aber sanften Blick des älteren Mannes Trost fand.
    »Dass er nie erfahren wird, ob er seine Ehre vielleicht
völlig umsonst beschmutzt hat; dass er nie erfahren wird, ob er nicht auch gewonnen
hätte, wenn er sich an die Regeln gehalten hätte.«
    Morrison musste ihm Recht geben, ein kleiner Zweifel blieb jedoch
bestehen. »Ich frage mich, was mehr belastet: die verlorene Ehre oder das
Wissen, dass man einen Unschuldigen vor dem Gefängnis hätte bewahren können,
indem man einen Zeugen aufgerufen hätte, von dem man wusste, dass er lügen
würde.«
    »In dem Prozess werden Sie aber dieser Versuchung nicht
ausgesetzt sein, oder?«
    Morrison lachte. »Weil der Angeklagte mein einziger Zeuge ist?
Daran können Sie sehen, wie aussichtslos dieser Fall ist: Ich könnte nicht
einmal dann durch Betrug gewinnen, wenn ich es versuchte.«
    Morrison trank seinen Kaffee aus, begab sich zurück in sein
Büro und arbeitete die ganze Nacht hindurch.
    Entgegen seinen Befürchtungen endete der Prozess so, wie Conrad
es vorhergesehen hatte: mit einem Freispruch für den Angeklagten. Am Morgen
nach der Urteilsverkündung wartete Morrison bereits auf das Protokoll, damit er
sehen konnte, was er falsch gemacht hatte.
5
    Während der langen Wochen, in denen Morrison aus
seinem Leben alles ausgeblendet hatte, was nicht mit dem Prozess zusammenhing,
den Conrad für seinen besten hielt, hatte Nelson St. James seinen
Kollisionskurs mit dem Gesetz fortgesetzt. Der Mord an Wendell Clark und seiner
Frau hatte die Regierung nicht etwa dazu gebracht, ihre Bemühungen, St. James
hinter Gitter zu bringen, einzustellen, sondern sie noch gesteigert. Drei Tage
nach dem Ende von Morrisons Prozess las der Anwalt eine Schlagzeile in der
Morgenzeitung, die ihn wieder an Jack Taylor denken ließ und an das, was dieser
ihm erzählt hatte. Nelson St. James war schließlich von einer Anklagejury des
Bundes angeklagt worden. Der Klageschrift zufolge war das von St. James
kontrollierte Finanzimperium nichts anderes als eine kriminelle Vereinigung,
die

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