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Black Rose

Black Rose

Titel: Black Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Black Rose
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trotzdem …«
    Morrison grinste. »Besser? Sagten Sie ›besser‹? Ich bin
nicht halb so gut wie Melvin Belli oder irgendeiner der anderen großen Anwälte,
von denen Sie manchmal erzählen.«
    Conrad blickte auf seine Hände hinunter, auf die tiefen
Falten um seine Knöchel.
    »Sie unterschätzen sich«, sagte er kurz. »Es ist kein
Zufall, dass Sie all diese Prozesse gewinnen. Sie haben noch nie verloren: Bei einem
Strafverteidiger ist das fast beispiellos. Sie müssen etwas richtig machen.«
    »Bisher hat es noch immer etwas gegeben, was ich falsch
gemacht habe, worauf ich nicht vorbereitet war.«
    Conrad blickte ihm prüfend in die Augen. »Falls Sie nach
Perfektion streben: Sie werden sie nicht finden, fürchte ich. Sie können die
Ereignisse nicht unter Kontrolle haben, Sie können nicht die Handlungsweisen
anderer Menschen vorhersehen.«
    »Ist etwas falsch daran, dass man versucht, besser zu
werden?«
    »Nur wenn Sie dadurch vergessen, weshalb Sie überhaupt
besser werden wollten.«
    »Warum ich überhaupt …?«
    »Besser in dem, was Sie tun … Oder können Sie es nicht
ertragen zu verlieren? Besser, weil Sie so gut sein wollen wie nur möglich?
Oder besser, weil gewinnen das Einzige ist, wovor alle Achtung haben?«
    Conrad war sich nicht sicher, ob er diese Frage überhaupt
hätte stellen sollen. Aber auch Morrison wurde wie fast alle Strafverteidiger –
zumindest alle, die er gekannt hatte – von einem seltsamen Zwang getrieben, der
an Besessenheit grenzte. Andere Anwälte gingen aus und feierten, wenn sie einen
Prozess gewonnen hatten; Morrison quälte sich wegen der Fehler, die er
vielleicht gemacht hatte. Alles, was nicht perfekt war, war in Morrisons Augen
gleichbedeutend mit Versagen, was nur die Wirkung hatte, ihn noch mehr
anzutreiben.
    Im Lauf der nächsten Jahre gewann Morrison weiterhin
Prozess auf Prozess. Er nahm Fälle an, die sonst niemand anrühren wollte, Fälle,
in denen die Verteidigung keinerlei Chance zu haben schien; und jedes Mal
überzeugte er die Geschworenen, den Angeklagten am Ende für nicht schuldig zu
erklären, und das auf eine Art und Weise, die niemand vorhergesehen hatte, oft
durch etwas, das Morrison selbst überraschte. Er war unschlagbar, und er war
der Einzige, der es nicht wusste.
    Conrad wartete nicht länger, bis er gebeten wurde. Jedes
Mal, wenn er der Stenograph war – und wegen seiner langen Dienstjahre konnte er
es so einrichten, dass er in den meisten Prozessen Morrisons in San Francisco
Protokollführer war –, schrieb er die Protokolle des Tages noch am Abend. Am
Morgen nach der Urteilsverkündung, an dem Morgen, an dem Morrison einen
weiteren Prozess gewonnen hatte, hielt Conrad das Protokoll bereit. Es wurde zu
einer eingespielten Routine, einer Gewohnheit, zu etwas wie einem privaten
Scherz.
    »Ich möchte Sie gern um das Prozessprotokoll bitten«, sagte
Morrison etwa.
    »Dauert normalerweise mindestens eine Woche«, entgegnete Conrad
und überreichte ihm ein Protokoll, das tausend Seiten oder mehr umfassen
konnte.
    Morrison studierte es, ging es im Kopf immer wieder durch, las
es drei-, vier-, manchmal sogar fünfmal durch und machte am Rand in dem für ihn
so typischen Gekritzel voller Tintenkleckse zahlreiche Notizen.
    Conrad wunderte sich über die eigenartige Dichotomie: einerseits
der brillante Anwalt, der so voller Selbstbewusstsein war, dass ihm der
Gerichtssaal zu gehören schien, und andererseits der ernsthafte Student seiner
eigenen Unzulänglichkeiten, der nie ganz verstehen konnte, weshalb er nicht
verloren hatte. Hatte das mit Morrisons Vergangenheit zu tun, lag es vielleicht
an der Art seiner Erziehung? War er in dem Glauben aufgewachsen, dass nichts, was
er tat, je gut genug sein würde? Versuchte der Mann Morrison etwas
wiedergutzumachen, was der Junge Morrison nicht hatte einlösen können?
    »Wollten Sie schon immer Anwalt werden?«, fragte Conrad eines
Tages, als sie in der Caféteria zusammensaßen. Die Geschworenen hatten sich
seit dem frühen Nachmittag zur Beratung zurückgezogen, und der Richter ging
davon aus, dass sie noch am selben Abend ein Urteil haben würden.
    Morrison pustete in seine Tasse mit dem heißen schwarzen
Kaffee. »Sagen wir mal so: Ich wollte kein Arzt werden.«
    Conrad glaubte zu wissen, was er meinte. »War Ihr Vater
Arzt? Ist das Grund, weshalb Sie nicht …?«
    »Mein Vater? Keine Ahnung, was er war.« Er lächelte
entschuldigend, dass er den anderen mit seiner Antwort in Verlegenheit gebracht
hatte.

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