Black Rose
auseinander
setzen zu müssen, ob Danielle St. James einen Mord begangen hatte, und falls
ja, wie er damit umgehen sollte.
Als er am späten Vormittag vom Gericht
zurückkam, wartete sie bereits im Wartezimmer auf ihn.
»Ich scheine in Schwierigkeiten zu stecken«, erklärte sie
mit ihrer sanften, atemlosen Stimme. Sie stand von ihrem Stuhl auf und neigte
den Kopf leicht zur Seite, während sich auf ihren Lippen ein nostalgisches und
bedauerndes Lächeln abzeichnete, eine bloße Andeutung dessen, was zwischen
ihnen hätte passieren können, wenn die Situation damals eine andere gewesen
wäre. »Ich habe gehofft, du könntest mir helfen.«
Sie war noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Er
führte sie in sein Arbeitszimmer, wo sie sich in den Besucherstuhl gleiten ließ
und langsam ihre Handschuhe auszog. Sie ertappte ihn dabei, wie er sie
anstarrte.
»Wenn ich ein paar Tage nach diesem Wochenende hergekommen
wäre, an dem wir uns kennen gelernt haben, was hättest du dann getan?«, fragte
sie. »Hättest du mich zum Lunch eingeladen?«
Ein trauriger, beinahe wehmütiger Zug lag um ihren Mund, doch
in ihren Augen glitzerte ein Lachen. Je länger sie ihn ansah, umso entspannter
schien sie zu sein. Morrison lächelte. Fast herausfordernd warf sie den Kopf in
den Nacken. »Und wohin wären wir deiner Meinung nach wohl gegangen? Vielleicht
in eins dieser Lokale in der Nähe des Ferry Building mit Aussicht auf die Bucht?
Oder in ein Restaurant in einem kleinen Hotel, in dem wir vielleicht gar nichts
zu essen bestellt, sondern lieber gleich ein Zimmer genommen hätten?«
Morrison wusste nicht, was er sagen oder auch nur denken sollte.
Sein Instinkt sagte ihm, dass er sie bitten sollte zu gehen, dass sie sich
einen anderen Anwalt suchen sollte, gerade wegen der Dinge, die sie vielleicht
zusammen getan hätten. Doch er war zu fasziniert von ihr oder von dem, was sie
als Nächstes tun könnte, um diese Worte über die Lippen zu bringen.
Sie zuckte die Schultern. »Dies ist wie in einem Film von
1949, nicht wahr?«, lachte sie mit einem reuevollen Unterton. »Die Witwe, die
angeklagt wird, ihren reichen und viel älteren Ehemann ermordet zu haben; die
Witwe in dem schwarzen Kleid, das nach allem anderen, nur nicht nach Trauer
aussieht, spaziert in die Kanzlei des einzigen Anwalts, der vielleicht ihren
Kopf retten kann, und versucht auf der Stelle, ihn zu verführen.« Ein vages, unsicheres
Lächeln zog wie ein Schatten über ihren vollen, aufreizenden Mund. »Aber das
haben wir schon getan, oder? Einander verführt, meine ich.«
Sie stand auf, trat ans Fenster und folgte mit den Blicken
der engen Straße zur Bay Bridge und zu den Berkeley Hills auf der anderen
Seite.
»Ich habe San Francisco schon immer gemocht. Ich bin nicht allzu
weit weg von hier aufgewachsen. Früher bin ich oft hergekommen, wenn ich es in
New York nicht mehr ausgehalten habe. Nur für ein paar Tage, dann musste ich
wieder zurück. New York ist so, weißt du …« Sie starrte immer noch aus dem
Fenster auf die Bucht, die in dem sommerlichen Licht silbrig leuchtete. »Nach einiger
Zeit glaubt man verrückt zu werden, wenn man nicht rauskommt, weg von all den
Leuten, all dem Lärm; und dann – selbst wenn es nur zu einem langen Wochenende
in den Hamptons reicht – muss man wieder zurück, weil man Angst hat, etwas zu verpassen,
wenn man zu lange weg ist. Oder dass kein Mensch einen vermissen wird, wenn man
sich nicht oft genug zeigt. Als ich dann Nelson heiratete und wir dauernd
unterwegs waren … Es war meine Idee, hier die Yacht zu unterhalten, zumindest einen
Teil der Zeit.«
Je mehr sie sprach, desto mehr wollte Morrison von ihr
wissen. Selbst wenn er die Antworten kannte, wollte er ihre Meinung zu bestimmten
Dingen hören, die Art von Erklärung, die vielleicht für sie einen Sinn ergab,
wenn auch nicht unbedingt für jeden anderen.
»Warum hast du ihn geheiratet?«, fragte er endlich. Ihm war
klar, dass ihre Entscheidung damals mit Geld zu tun hatte, aber wie Conrad
glaubte auch er, dass es noch einen weiteren Grund geben musste.
Sie kehrte zu dem Stuhl vor Morrisons Schreibtisch zurück. Lang
und tief holte sie Luft, doch sie sah ihn nur an und sagte kein Wort. Auch er
schwieg und hielt ihrem Blick stand.
»Wirst du mir helfen?«, fragte sie schließlich.
»Das sollte ich lieber nicht tun.«
»Warum nicht?«
»Du weißt, warum.«
»Ich brauche dich; niemand sonst kann mir helfen.«
»Es gibt andere Anwälte, es gibt
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