Black Rose
durcharbeiten und sich auf morgen
vorbereiten. Noch einmal wird er sich nicht auf dem falschen Fuß erwischen
lassen. Hast du gesehen, wie er uns angesehen hat, kurz bevor er den
Gerichtssaal verließ?«
»Nein, warum sollte ich mir diesen Mann ansehen? Mir hat
sein Blick gereicht, mit dem er mich bei der Eröffnung des Verfahrens angesehen
hat.«
»Ich nehme an, das ist dir schon öfter passiert.«
»Ich gebe mir Mühe, es zu ignorieren.«
»Die Wirkung, die du auf Männer hast?«
Ungeduld blitzte in ihren Augen auf. Sie verstand den Sinn
seiner Frage nicht.
»Was Franklin getan hat – dieses törichte Glotzen, wie bei
einem halbwüchsigen Jungen, der noch nie mit einem Mädchen ausgegangen ist –,
hätte nicht wirkungsvoller sein können, wenn er es im Voraus geplant hätte.«
Jetzt war sie zum ersten Mal neugierig.
»Glaubst du, irgendjemand in diesem Gerichtssaal wird so
etwas wie Sympathie für dich empfinden? Jeder von den Geschworenen weiß,
weshalb du Nelson St. James geheiratet hast. Sie haben die Fotos gesehen: Das
fabelhaft aussehende Haute-Couture-Model heiratet einen Mann, der doppelt so
alt ist wie sie und zufällig einer der reichsten Männer der Welt! Niemand wird
dir das gönnen: dein tolles Aussehen und dann auch noch das Geld. Die meisten
Menschen erleben es ja kaum, dass irgendjemand sie auch nur zwei Mal ansieht.
Wie müssen sie kämpfen, um über die Runden zu kommen! Und plötzlich wird ihnen
die Möglichkeit geboten, das alles auszugleichen. Du hast deinen Mann getötet,
und zwar wegen des Geldes! Sie wollen glauben, dass du schuldig bist, sie
wollen es auf die niedrigste Art und Weise, denn deine Schuld würde sie
moralisch über dich erheben. Sie wollen dich verurteilen! Hast du das
noch immer nicht begriffen?«
Danielle wollte es nicht glauben. »Glaubst du wirklich,
dass das so ist? Glaubst du wirklich, dass sie mich so sehr hassen?«
»Kein Mensch hat Mitgefühl mit den Reichen. Warum sollten sie?
Die Reichen können sich aus allen Schwierigkeiten herauskaufen. Weißt du nicht,
was die meisten Menschen – die Art von Leuten, die als Geschworene Dienst tun –
über all die berühmten und schönen Menschen deines Schlages denken? Sie halten sie
für verwöhnt und dumm und egoistisch. Zu was für einem Urteil werden diese
zwölf Geschworenen wohl kommen, wenn Franklin ihnen auch nur halbwegs glaubhaft
macht, dass du es getan hast?«
Nichts schien die perfekte Mannequinfassade bröckeln zu
lassen – vielleicht würde kein Ereignis, kein Mensch das jemals zuwege bringen.
Brillante Schriftsteller und begabte Künstler leben vielleicht in einer eigenen
geistigen Welt, gleichgültig gegenüber dem, was der Rest der Menschheit für
wichtig hält, dachte Morrison.
»Wir müssen etwas tun, damit du mehr Ähnlichkeit mit ihnen bekommst.
Ich kann dich einfach nicht wie eine Eisprinzessin dasitzen lassen, die glaubt,
machen zu können, was sie will.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Eisprinzessin?
Dieses Wort habe ich schon lange nicht mehr gehört.«
Morrison stand auf und begann im Raum auf und ab zu gehen. Er
dachte an andere Fälle und daran, wie viel Mühe es ihn manchmal gekostet hatte,
den Angeklagten sympathischer erscheinen zu lassen. Er hatte Danielle immerhin
schon dazu gebracht, sich weniger auffällig anzuziehen und sich eine ganz neue
Garderobe anzuschaffen, Kleider von der Stange. Zwar trug sie jeden Tag ein anderes,
aber immer nur ausgesucht bescheidene, zurückhaltende Modelle, die jede Frau im
Publikum sich hätte leisten können. Doch auch diese Strategie drohte nach
hinten loszugehen. Schon kursierte der Ausdruck »Cleopatra im Konfektionskleid«
in den Klatschspalten und Talkshows, die sich mit dem Prozess beschäftigten. In
seiner Verzweiflung brachte Morrison ein Thema zur Sprache, das er schon einmal
vorgebracht hatte.
»In der ersten Reihe hinter uns sitzt kein Mensch, der sich
solidarisch mit uns zeigt. Ich glaube, du solltest wenigstens deine Mutter
bitten zu kommen.«
»Sie kommt nicht.«
»Wie kannst du da so sicher sein? Du hast sie doch nicht
gefragt, oder?«
»Ich habe meine Mutter seit Jahren nicht gesehen, und ich
will sie auch jetzt nicht sehen.« Sie wandte den Blick ab. »Sie hätte zu viel
Spaß daran, mich …«
»Das kannst du doch gar nicht wissen! Als ich mit ihr
sprach …«
»Nein, kommt überhaupt nicht infrage!«, entgegnete sie
scharf.
»Wenn sie hätte hier sein wollen, wäre sie gekommen. Das
ist Geschichte, lass
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