Black Rose
verschieden und doch immer dieselbe.
An diesem Abend kam sie zur Abwechslung früh und
unverkleidet in seine Wohnung, vielleicht, um den Einsatz ein wenig zu erhöhen.
Der Doorman verkündete, Mrs. Danielle St. James sei da.
»Ab und zu muss man sich mit seinen Mandanten auch mal zu Hause
treffen«, sagte Danielle, als sie an ihm vorbei ins Wohnzimmer rauschte und
ihren hellbraunen Regenmantel auf einen Stuhl warf. Mit einem spitzbübischen
Grinsen blickte sie ihn an. »Oder vielleicht denkt dieser nette Mann da unten,
eine dieser schamlosen Damen, die dich nachts immerzu besuchen, hat sich als
ich verkleidet.«
»Glaubst du, er weiß nicht, dass du alle von ihnen bist?«
»Er hat vielleicht den Verdacht, doch er weiß es nicht
genau. Außerdem würde er sowieso nie etwas sagen. Gefährlich wird es, wenn man
von jemandem auf der Straße gesehen wird. So entstehen Gerüchte – wenn man von
jemandem gesehen wird, den man nicht mal kennt.«
Sie setzte sich ans Ende des Sofas und legte den Arm über
die Rückenlehne. Sie schien fast glücklich zu sein, und als Morrison das sah,
fühlte er sich gleich viel besser. Er machte für sie beide einen Drink und
setzte sich neben sie.
»Du warst heute wunderbar«, sagte Danielle mit eifrigen
Augen.
»Ich konnte gar nicht erwarten, dir zu sagen, wie fabelhaft
ich dich fand. Jetzt müssen wir uns um nichts mehr Sorgen machen, nicht wahr?
Du weißt, dass du gewinnen wirst.«
Morrison fand ein fast jungenhaftes Vergnügen an ihrem
Lächeln. »Ich weiß nur eins: dass wir noch nicht verloren haben.«
Ihre Augen blitzten immer noch, ihr Lächeln blieb
siegesgewiss. Er beschloss, deutlich zu werden.
»Dies ist kein Spiel, bei dem es nur darauf ankommt, wie
gut man gespielt hat, und das Ergebnis nicht zählt. Vergiss nicht, du stehst
wegen Mordes vor Gericht.«
Ihr Gesicht wurde blass. »Ich weiß, was passieren wird – was
passieren könnte –, wenn wir verlieren; doch ich weiß auch, was ich heute
gesehen habe und dass Franklin nicht gewinnen kann. Nach dem, wie du ihn
vorgeführt hast, würde es mich nicht überraschen, wenn er einfach aufgibt,
morgen einen anderen als Stellvertreter schickt und einen Freispruch beantragt.«
Morrison sah ihr direkt in die Augen. »Franklin wird morgen
wieder da sein. Er wird jeden Tag da sein, bis dieser Prozess beendet ist. Er
hat ein paar Fehler gemacht, aber wie ich dir schon sagte, darfst du ihn nicht
unterschätzen. Er wird diese Fehler nicht noch einmal machen. Er will diesen
Fall gewinnen, will ihn so sehr gewinnen, wie er noch nie etwas gewollt hat. Es
ist die einzige Möglichkeit für ihn, mir das heimzuzahlen, was ich ihm angetan
habe. Und das, was ich gesehen habe.«
»Was du gesehen hast?«
»Auf der Toilette, kurz nachdem die Verhandlung zu Ende
war. Franklin war da, und ihm wurde übel. Ich fühlte mich
dabei …«
»Er tat dir leid?« Sie warf ihm einen verächtlichen Blick
zu.
»Warum empfindest du überhaupt etwas für ihn? Solche Leute sind
unwichtig. Du hast ihn heute auseinander genommen – kein Wunder, dass ihm übel
wurde. Warum sollte es dir etwas ausmachen, wie er sich fühlt? Du wirst
gewinnen, weil du weißt, wie du es machen musst; er wird verlieren, weil er es
nicht weiß. Er hat dir nicht wirklich leidgetan. Du warst froh! Froh, dass er
es war und nicht du. Die einzigen Leute, denen Verlierer leidtun, sind diejenigen,
die selbst nie gewinnen!«
Morrison konnte nicht glauben, dass sie das gesagt hatte,
dass sie so gefühllos und grausam sein konnte. Er redete sich ein, dass es an
der Anspannung durch den Prozess lag, an ihrer Furcht, sie könnte für den Rest
des Lebens hinter Gittern landen, was sie dazu brachte, solche Dinge zu sagen. »Du
meinst doch nicht wirklich, was …«
»Was ich da gesagt habe? Natürlich habe ich es so gemeint!«
Sie wurde zornig. »Du tust, was du glaubst tun zu müssen, um den Prozess zu
gewinnen – geht es dir besser, wenn du dich deswegen schlecht fühlst? Würdest
du lieber verlieren? Wäre es dir lieber, dass ich verurteilt werde?«
»Nein, aber das …«
»Aber das?«
»Macht es nicht richtiger!«, rief Morrison. Er sprang vom
Sofa auf. »Ich hätte das nie tun sollen – ich hätte den Fall nie übernehmen
dürfen! Ich hätte mich nicht einmischen sollen, ich hätte nicht …« Er
schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck. »Vielleicht solltest du lieber gehen«,
sagte er. Seine Stimme hörte sich plötzlich frustriert und müde an.
Die Härte, mit der
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