Black Rose
auf, die
Geschworenen hereinzuführen.
Sichtlich erschöpft nahmen die zwölf Geschworenen langsam ihre
Plätze auf der Geschworenenbank ein. Sie bemühten sich, niemanden anzusehen,
achteten darauf, keine Bewegung zu machen, die einen Hinweis darauf geben
konnte, wie sie entschieden hatten. Sie hatten nur drei Stunden beraten – und
dies, nachdem sich die Beweisaufnahme über Wochen hingezogen hatte. Ein Mordfall,
eine Frau, die wegen eines Verbrechens angeklagt war, auf das die Todesstrafe
stand, und mehr Zeit hatten sie nicht gebraucht? Was hatte das zu bedeuten? War
die Beweislage wirklich so eindeutig? War es so einfach, zu einem Urteil zu
kommen, wie immer dieses Urteil aussehen mochte?
»Sind die Geschworenen zu einem Urteil gekommen?«
Der zweite Geschworene links in der unteren Reihe erhob
sich. Morrison war überrascht. Er hatte vermutet, dass ein anderer, ein sehr
gebildeter und redegewandter Mann, zum Sprecher gewählt werden würde.
»Das sind wir, Euer Ehren.«
Morrison spürte, wie sich Danielles Finger um seine Hand schlossen.
»Würden Sie das Urteil bitte dem Gerichtsdiener übergeben.«
Richterin Brunelli prüfte das Urteilsformular und reichte
es dann durch den Gerichtsdiener zurück. Die Spannung im Gerichtssaal war mit
Händen zu greifen.
»Wir, die Geschworenen in der oben bezeichneten Angelegenheit«,
las der Sprecher mit einer Stimme, die für jedes Wort eine Ewigkeit zu brauchen
schien, »in der Mord der einzige Anklagepunkt ist, befinden die Angeklagte …«
Er faltete das Urteilsformular zusammen. Mit dem
Gesichtsausdruck eines Menschen, der genau weiß, dass dieser Augenblick allein
ihm gehört, ließ er seine Blicke durch den Gerichtssaal schweifen. Schließlich
wandte er sich langsam um zu Danielle und sah ihr direkt in die Augen.
»… für nicht schuldig.«
Danielle schlang Morrison die Arme um den Hals und dankte ihm
unter Tränen. »Das haben sie deinetwegen getan«, murmelte sie. »Sie haben dir
geglaubt. Sie haben geglaubt, was du gesagt hast. Sie haben geglaubt, dass du
mir geglaubt hast.«
Mit der einen Hand um seine Schulter wischte sie sich mit
der anderen die Tränen von den Wangen. Sie versuchte, den Geschworenen
zuzulächeln, und begann dann wieder zu weinen.
Richterin Brunelli dankte den Geschworenen für ihre Dienste
und brachte den Prozess mit einem Hammerschlag endgültig zu Ende. Robert
Franklin wollte schon gehen, als ihm einfiel, dass ihm noch eine Verpflichtung
blieb. Er blickte Morrison direkt in die Augen und gratulierte ihm. Danielle sah
er nicht an.
»Ein entsetzlicher Mann«, murmelte Danielle, nachdem
Franklin in der Menge verschwunden war.
»Wenn er zu Beginn so gut gewesen wäre wie am Ende, hätten wir
vielleicht verloren.«
Doch Danielle interessierte nicht, was alles hätte schief
gehen können. Es war vorbei, und sie war frei, und wenn dieses Wort auch nicht
mehr das Gleiche wie in ihrer Jugend bedeutete, so war es immer noch weit mehr,
als sie in der Nacht, in der sie ihren Mann getötet hatte, zu hoffen gewagt
hatte.
»Ich verdanke dir alles, mein Leben, mein …«
Zu viele Menschen, die einen letzten Blick auf sie werfen
wollten, zu viele Reporter, die eine letzte Frage an sie stellen wollten, wimmelten
um sie herum. Vielleicht war das der Grund für die plötzliche Panik in ihren
Augen, das dringende Bedürfnis wegzukommen – weg von all diesen Menschen, die
schubsten, schoben und nach ihr zu greifen versuchten.
»Bringen Sie mich hier raus!«, rief sie. »Ich bekomme keine
Luft mehr.«
Morrison legte ihr den Arm fest um die Schulter und begann seinen
Spießrutenlauf durch ein Gewirr von Händen und Armen. Es war das reinste Chaos
und der Lärm ohrenbetäubend. Etwas Hartes, Spitzes – ein Ellbogen – traf
Morrison am Auge, und ein Knie stieß ihm gegen den Schenkel.
»Zur Seite!«, rief er energisch. Morrison bahnte sich
rücksichtslos einen Weg durch die Menge, bis sie die Türen des Gerichtssaals durchschritten
hatten und in die grellen Scheinwerfer von einem Dutzend Fernsehkameras
stolperten. Unzählige Mikrophone wurden ihnen entgegengestreckt.
»Der Prozess ist vorbei«, verkündete Morrison den Journalisten.
Er sprach ernst und feierlich, wie ein Mann, der eine tiefe Wahrheit
verkündete. Danielle ließ seinen Arm los, richtete sich auf und stand
vollkommen ruhig neben ihm. Die Menschenmenge konnte sie nicht aufhalten, diese
Kameras und Mikrophone aber sehr wohl. »Die Geschworenen haben ihr Urteil
gesprochen.
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