Black Rose
unbenannter Zeugen, die er ihnen
jetzt noch nicht nennen konnte, ihnen aber später zeigen würde. Mit seinem
ruhigen, wissenden Lächeln, den inszenierten Pausen, dem vielsagenden Blick
verfolgte er eine bestimmte Absicht, mit der er Zweifel säen wollte, den Beginn
eines Verdachts, was die Argumentation der Staatsanwaltschaft betraf. Er sprach
fast eine Stunde lang, aber nicht, weil er etwas Neues hinzuzufügen hatte,
sondern weil Franklin annähernd genauso lange gesprochen hatte. Das war Kubiks
Art zu zeigen, dass er sich nicht herumschubsen ließ.
Conrads Hände flogen über die Tasten seiner Stenomaschine, als
er jedes unbedeutende Wort festhielt, das der angemaßten Gewissheit von Winslow
Kubiks Verstand entsprang. Conrad starrte nicht ins Leere, wie er es
normalerweise tat, wenn er sich darauf konzentrierte, genau das zu notieren,
was er hörte. Er blickte sich im Gerichtssaal um, beobachtete die Reaktion des
Publikums und riskierte gelegentlich einen Blick auf Danielle.
Sie war noch immer die schönste Frau, die Conrad je gesehen
hatte, aber ihr Blick wirkte irgendwie erloschen. Das freche Strahlen, das
funkelnde Lachen, ihre Aufsässigkeit und Keckheit waren verschwunden. Sie
bemerkte seinen Blick, und vielleicht weil sie sich an ihn erinnerte, den
anonymen Gerichtsstenographen aus dem ersten Prozess, erwiderte sie ihn. Sie
lächelte – hilflos, verzweifelt und traurig.
»Rufen Sie Ihren ersten Zeugen auf«, wies Richterin
Brunelli Franklin nach der Mittagspause an.
»Die Staatsanwaltschaft ruft Detective Marsha Allison auf«,
verkündete Franklin.
Richterin Brunelli hob kaum den Blick von der Akte, in der
sie gerade las, als die Zeugin den Gerichtssaal betrat. Mit einer kurzen Geste
gab die Richterin dem Gerichtsdiener ein Zeichen, ihr den Eid abzunehmen.
Franklin stand aufrecht vor seinem Tisch, die rechte Hand
auf die Kante gestützt. Er trug einen maßgeschneiderten dunklen Anzug, der
perfekt saß; dazu ein französisches Hemd mit Manschetten und eine Krawatte.
Statt auszusehen, als hätte er darin geschlafen, war seine Kleidung jetzt in
bestem Zustand, gebügelt und der Situation absolut angemessen.
»Detective Allison«, fragte er nach ein paar einleitenden
Sätzen, »waren Sie damit beauftragt, an Bord einer Yacht namens Black Rose eine
Ermittlung durchzuführen?«
Marsha Allison hatte kurz geschnittenes sandbraunes Haar
und eng zusammenstehende grüne Augen. Direkt über der Nasenwurzel war eine
tiefe Kerbe zu sehen, obwohl sie noch keine vierzig war. Wie jeder
Polizeibeamte, der dazu ausgebildet ist, vor Gericht auszusagen, wartete sie,
bis Franklin seine Frage zu Ende gebracht hatte, bevor sie sich an die
Geschworenen wandte.
»Ja, das war ich.«
»Und können Sie uns die Ergebnisse dieser Ermittlung
mitteilen?«
»Wir erhielten eine Meldung von einem Mordfall auf der Black
Rose. «Trotz ihres ständigen Blinzelns war ihr Auftreten
ungezwungen, informell, als spräche sie zu einer kleinen Gruppe von Menschen,
die ihr bekannt waren. »Wir begaben uns an Bord, um zu ermitteln.«
Franklin wartete mit der nächsten Frage. »Wenn Sie sagen,
Sie gingen an Bord – lag das Boot dann schon hier, in San Francisco?«
»Ja, in der Marina.«
Franklin lächelte. Er wollte auf einen ganz bestimmten
Punkt hinaus. »Und der Mordfall, der gemeldet worden war, hatte der stattgefunden,
als die Black Rose in der Marina lag?«
»Nein, irgendwo draußen auf See.«
Mit einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck bewegte sich Franklin
von seinem Tisch zum Ende der Geschworenenbank, sodass ihn vom Zeugenstand nun
einige Meter trennten. Er legte eine Hand auf das Geländer, neigte den Kopf zur
Seite und blickte Detective Allison mit freundlicher Neugier an.
»Der Mordfall wurde gemeldet, als sich die Black Rose noch
auf See befand, und Sie haben bis zu ihrer Ankunft gewartet?«
Allison schüttelte den Kopf. »Nein, der Mordfall wurde erst
gemeldet, nachdem die Black Rose schon hier in San Francisco lag.«
Franklin wollte sichergehen. »Mit anderen Worten: Niemand meldete
das Verbrechen, unmittelbar nachdem es geschehen war, sondern erst später,
nachdem die Yacht angelegt hatte?«
»Nach meinem Dafürhalten, ja.«
Franklin starrte auf seine Schuhe. »Diese Meldung«, begann
er zögernd, mit einer Stimme, die voller Zweifel war. Er hob den Blick, aber nicht
den Kopf. »Diese Meldung – erschien da jemand in der Polizeidirektion und
sagte, er wolle ein Verbrechen melden …?«
»Nein, es ist niemand
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