Black Sun - Thriller
verbohrt, aber das bin ich nicht. Mir ist das NRI egal, und die Unternehmensphilosophie und das ganze übrige Zeug. Ich weiß nur, wir müssen diese Steine finden, ehe es jemand anderer tut.«
Danielle seufzte. »Ich wollte das Angebot zumindest gemacht haben. Aber wenn Sie bleiben, bleibe ich auch. Aus all den Gründen, warum wir die Sache überhaupt angefangen haben.«
McCarter sah Hawker an. »Was ist mit Ihnen?«
Hawker lachte. »Ich bin mir ziemlich sicher, das wird
in einem Desaster enden«, sagte er. »Aber so verrückt es klingt, ich weiß nicht, wo ich sonst hingehen soll.«
McCarter sah aus dem Fenster. Der leichte Wind vom Meer bauschte den Vorhang wieder und wehte die frische, salzige Luft ins Zimmer.
»Vielleicht weiß ich es.«
27
Iwan Sarawitsch stieg aus dem U-Bahn-Waggon und betrat das Zwischengeschoss der U-Bahn-Station Park Kultury im Herzen Moskaus. Das opulente Ambiente erinnerte an ein Museum oder den Saal eines großen Palastes. Der Boden war mit großen, glänzenden Schwarz-Weiß-Fliesen bedeckt wie ein riesiges Schachbrett, die Marmorwände säumten kunstvolle Skulpturen. Von der Decke hängende Kronleuchter tauchten die ganze Station in einen warmen Schein.
Anders als amerikanische U-Bahnen, die hauptsächlich aus funktionalem Stahl und Beton gebaut waren, stellte die Moskauer Metro mehr als ein Verkehrsmittel dar. Sie war eine Quelle des Stolzes; russischen Stolzes heute, sowjetischen Stolzes zur Zeit ihrer Planung und Erbauung in den 1950ern und 1960ern. Für eine Nation, die sich als Arbeiterparadies sah, sollten die Metro-Stationen die Paläste und Festhallen der Arbeiter sein.
Sarawitsch dachte daran, wie er zum ersten Mal durch diese Station gegangen war. Als zwanzigjähriger Rekrut aus dem Ural war er nach Moskau gekommen, um sich dem großen Kampf anzuschließen, seine Arbeit für den
KGB zu beginnen. Beim Betreten dieser Halle hatte er exakt das empfunden, was er nach dem Willen der Partei empfinden sollte: Stolz, Stärke und sowjetische Überlegenheit. Für ihn dämmerte ein neues Zeitalter herauf, in dem die Ideologie des Gemeinsamen die Unterdrückung durch die Elite überwinden würde.
Dreißig Jahre später hatte sich die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken aufgelöst und mit ihr alle Illusionen hinsichtlich des Gemeinsamen und der Elite.
Sarawitsch war zu dem Schluss gekommen, dass jede Regierungsform zwangsläufig zu einer immer größeren Machtfülle der Eliten führte. Es war der natürliche Gang der Dinge: Wer Macht haben wollte, häufte sie an. Wer sich nach Gleichheit sehnte, dem fehlte es am nötigen Ehrgeiz und Egoismus um mitzuhalten.
Mit Anbruch der neuen Zeit in Russland hatte Sarawitsch verstanden, dass selbst im Zivilleben jeder für sich selbst kämpfen musste. Dies berücksichtigend, gewöhnte er sich viel leichter an den Kapitalismus, als er gedacht hatte, auch wenn er die meiste Zeit freiberuflich für dieselben Leute arbeitete, die ihm früher einen Scheck der Regierung in die Hand gedrückt hatten.
Er war jetzt wohlhabender; es hätte längst fünfmal gereicht, um in Ruhestand zu gehen, aber er verspürte kein Verlangen danach. Als Witwer ohne Kinder oder Freunde und mit kaum Interessen außer seiner Arbeit sah er wenig Sinn darin. Für ihn war das der wahre Fluch des Kapitalismus: Arbeit belohnte einen in einer Weise, wie es nur wenig andere Dinge taten, und machte so alles andere kleiner.
Auf dem Weg durch die Station Park Kultury spürte Sarawitsch nun nichts mehr von dem Stolz, den sie einst in ihm entfacht hatte. Er ging schnell, mit gesenktem Kopf, die Hände in den Taschen vergraben. Das Zwischengeschoss
sah prächtig wie immer aus, aber es war jetzt nur eine U-Bahn-Station.
Eine raue Stimme unterbrach seine Schritte. »Genosse«, sprach ihn die Stimme von hinten an, »du scheinst es eilig zu haben.«
Sarawitsch verlangsamte, ging jedoch weiter. Er erkannte die Stimme und die Art von Frage: eine alte KGB-Gewohnheit, um diejenigen zu erschrecken, die möglicherweise etwas zu verbergen hatten.
Die Gestalt eines riesigen Mannes setzte sich neben ihn; der Mann war hundert Pfund schwerer als Sarawitsch, aber nicht fett, nur übergroß, mit gewaltigen Armen, mächtigen Schultern, einem riesigen Kopf. Sarawitsch kannte den Namen des Mannes, aber niemand benutzte ihn. Man nannte ihn einfach »Ropa« – der Berg.
»Wieso triffst du mich hier?«, fragte Sarawitsch. »Ich habe morgen früh einen Termin für einen Bericht. Reicht das
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