Black Swan - Silberner Fluch
ich jetzt; ich ließ es in meine Handflächen steigen. Dann rief ich mir das Bild von Dee in Erinnerung, das ich gerade gesehen hatte, wie er hinter dem flammenden Auto stand, in dem meine Mutter verbrannt war. Natürlich, dachte ich, deswegen hatte meine Mutter an Dee gedacht, als der Nebel aufkam. Dee hatte den Dunst geschickt, der den Ford Expedition in unser Auto hatte schleudern lassen und so meine Mutter umgebracht, und dann hatte er mich angesehen, während meine Mutter brannte, und darüber nachgedacht, ob ich eine Bedrohung für ihn darstellte. Ganz offensichtlich war er zu dem Schluss gekommen, dass dem nicht so war. Nun stellte ich mir vor, er stünde in dem Feuer, das ich in meine Hände gerufen hatte. Ein großer Feuerball stieg von meinen Handflächen auf und füllte schnell den ganzen Raum. Oberon und Ignatius wichen hastig zurück, aber Ddraik gluckste nur leise.
»Ja! Viel stärker, als du dachtest!«
Ich lächelte Ddraik an und ließ den Feuerball wieder zu einem Funken zusammenschrumpfen, der still in meine Adern glitt. »Ich danke dir«, sagte ich und verneigte mich vor ihm. Dann wandte ich mich zu Oberon um, der mit Ignatius an der Tür kauerte, und sagte: »Lasst uns nach Hause gehen. Ich glaube, ich weiß, wo ich Dee finden kann.«
Als wir in der U-Bahn saßen, wollte Oberon wissen, was ich erfahren hatte, das uns bei der Suche nach Dee helfen konnte, aber ich erklärte ihm, das müsse ich ihm zeigen. Allerdings war das nur die halbe Wahrheit. Eigentlich wollte ich vor allem über etwas anderes sprechen.
»Hast du gewusst, dass Dee meine Mutter getötet hat?«
»Wie kommst du darauf?«, fragte er und betrachtete einen Mann, der mit so weit gespreizten Beinen dasaß, dass er zwei Plätze für sich beanspruchte. Der Mann stand unvermittelt auf und ging zum anderen Ende des Wagens.
»Ich habe ihn am Unfallort gesehen.«
Oberon schüttelte den Kopf und tätschelte mir dann beruhigend die Schulter.
»Ich hatte befürchtet, dass Ddraik dich dorthin führen würde. Das muss sehr schmerzvoll gewesen sein.« Er legte seine Hand auf meine, und sie fühlte sich auf meiner überhitzten Haut wohltuend und beruhigend an. Ein grünes Glühen sprang auf mich über. Ich spürte, wie es das Feuer eindämmte, das in meinen Adern schwelte …
Schnell zog ich die Hand weg. Noch war ich nicht bereit, meinen Zorn verlöschen zu lassen. »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Ich habe es vermutet«, antwortete er nun. »Kurz, bevor
sie starb, kam deine Mutter zu mir und vertraute mir an, sie glaubte, Dee sei in New York. Sie wollte dich weit weg auf eine Schule schicken und dann das Land verlassen – wie sie sagte, hatte sie in Frankreich noch etwas zu erledigen.«
»Hat sie gesagt, worum es sich handelte?«
»Nein, das hat sie nicht. Ich fürchte, sie hat mir nicht voll und ganz vertraut. Sie fand es schrecklich, wie der Wachtturm das Leben ihrer Mutter bestimmt hatte, und war überzeugt, dass sie aufgrund dieser Verbindung umgekommen war. Damals nahm sie mir das Versprechen ab, dich nicht zu erwecken, falls ihr etwas geschehen sollte. Und dann starb sie. Ich hatte Dee im Verdacht, dass er hinter dem Unfall steckte, aber anschließend konnte ich in New York keine Spur von ihm entdecken. Dann erfuhr ich über meine Kontakte im Ausland, dass er in Frankreich gesehen worden war. Vielleicht hatte Dee herausgefunden, wohin deine Mutter hatte gehen wollen, und reiste selbst dorthin, um den Grund dafür in Erfahrung zu bringen.«
Die Bahn hielt an unserer Haltestelle, und ich folgte Oberon nach draußen. Als wir die Treppe zur Straße hinaufkamen, stellte ich überrascht fest, dass es schon fast völlig dunkel war. Dabei war es erst halb fünf, wie ich nach einem Blick auf meine Uhr feststellte – natürlich dämmerte es dann um diese Jahreszeit schon, aber es hätte doch noch ein wenig Licht da sein sollen. Als ich zum Himmel aufsah, erkannte ich den Grund. Dichter Nebel war im Westen aufgekommen und ließ keinen Strahl der untergehenden Sonne mehr durch.
»Wir sollten uns beeilen«, sagte Oberon. »Wenn du
Dee in deinen Erinnerungen entdeckt hast, dann weiß er vermutlich, dass du bei Ddraik warst. Er wird jetzt nicht mehr deine Freunde angreifen – er wird jetzt dich ins Visier nehmen.«
Wir gingen rasch weiter, aber an der letzten Straßenecke vor unserem Haus wurden wir von einer großen Menschenmenge aufgehalten, die den Bürgersteig blockierte. Zunächst verdeckten die vielen Leute und
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