Black Swan - Silberner Fluch
öffentlich würde zeigen können, weil der König ihre Verbindung nicht guthieß. Daher bat sie den Maler, eine Miniatur allein von ihrem Auge zu malen, damit ihr Geliebter es ständig tragen konnte und nur sie wusste, zu wem er auf diese Weise seine Verbundenheit bewies. Und sie sagte zu dem Maler, während er ans Werk ging: ›Wenn ich doch nur durch dieses Auge sehen könnte, dann würde ich immer bei meinem Geliebten sein.‹<
Der Maler jedoch, der sich selbst in Madame Dufay verliebt hatte, dachte sich: ›Wenn sie sehen würde, wie sich ihr Geliebter verhält, dann würde sie erkennen, dass er ihrer nicht würdig ist.‹ Also wandte er sich an einen Mann in Paris, von dem es hieß, er verstünde sich auf Flüche. Der Zauberer gab dem Maler einen magischen Farbstoff, den er in seinem Bild verwenden sollte, um diesen Zauber zu aktivieren, und als Preis dafür sollte der Maler ihn im Falle seines Todes als seinen Erben einsetzen. Der Maler war einverstanden, malte das Porträt für Madame Dufay und die Liebaugenbrosche für ihren Geliebten, die beides auch bekamen. Doch in der ersten Nacht, da der Mann diese Brosche trug, gab es einen Anschlag auf sein Leben. Madame Dufay, die das durch das Liebauge miterlebte und in der Nähe war, eilte ihm zu Hilfe und wurde dabei selbst getötet. Als der Maler erfuhr, was er angerichtet hatte, erhängte er sich, und seine Gemälde – auch das von Madame Dufay, das noch nicht bezahlt war – fielen an den Zauberer …«
»Warte, lass mich raten. Der Zauberer war John Dee.«
Oberon neigte den Kopf. »Er muss das Auge in dem
Laden liegen gelassen haben, in der Hoffnung, du würdest es mitnehmen und er könne dir so nachspionieren. Du musst sie zerstören …« Damit griff er nach der Brosche in meiner Hand.
»Nein!«, rief ich und zog die Hand weg. Er sah mich verblüfft an. Ich war selbst überrascht. Seit der Feuerprobe in Ddraiks Höhle hatte ich gespürt, dass es in meiner Beziehung zu Oberon eine Veränderung gegeben hatte, aber bisher war mir nicht klar gewesen, dass ich Dinge wusste, die ihm nicht bekannt waren … oder das zumindest glaubte. »Ich glaube, das Auge wollte zurückgelassen werden. Es – oder sie – wollte, dass ich sie finde. Zwischen uns gibt es eine Verbindung. Das fühle ich.«
Oberon hielt den Atem an und kniff die Augen leicht zusammen. »Ddraik hatte Recht. Du bist stärker, als ich glaubte. Aber du hast immer noch nicht so viel Erfahrung wie ich. Es kann sein, dass es vielleicht eine Verbindung zwischen dir und Madame Dufay geben mag, aber wie soll uns das dabei helfen, Dee aufzuspüren?«
»So.« Ich öffnete meine Hand. Das Auge blinzelte, als es plötzlich dem Licht ausgesetzt wurde. Oberon wich zurück. Wieso erschreckt ihn das so? , fragte ich mich. Schon als er mir die Geschichte erzählt hatte, war mir irgendetwas daran komisch vorgekommen. Als ob er einen fertig verfassten Text abläse. Aber ich hatte jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Oberon hatte in einer Hinsicht Recht: Dee konnte das Porträt in diesem Augenblick verwenden, um uns zu beobachten. Allerdings hoffte ich, dass das Bild noch immer einfach über dem Kaminsims hing.
Ich hielt die Liebaugenbrosche zwischen Daumen und
Zeigefinger und sah sie an. Das mandelförmige Auge verengte sich leicht, als ob es mich genau musterte, und zu meiner großen Überraschung zwinkerte es. Das brachte mich zum Lachen, doch dann drehte ich das Auge von mir weg und hielt die Brosche an mein eigenes rechtes Auge, wo ich sie wie eine Juwelierslupe mit der Wange festklemmte.
Kurz verschwamm alles vor meinen Augen, und ich sah doppelt. Ein Kaleidoskop aus verschiedensten Bildern wirbelte durch mein Gesichtsfeld. Schließlich hielt ich mir das linke Auge zu, und nun fielen die Bilder zu einem einzigen zusammen. Allerdings zeigten sie mir nicht Dees Versteck. Stattdessen stand ich nachts in einem Garten, der von bunten Lampions beleuchtet wurde und durch den Männer und Frauen wandelten, die nach der Mode des 18. Jahrhunderts gekleidet waren. Sie trugen Perücken, und die hoch aufgetürmten Frisuren der Frauen waren mit Blumen und Vogelfedern dekoriert.
»Was siehst du?«, drang Oberons Stimme an mein Ohr.
»Ich glaube, eine ihrer alten Erinnerungen. Ich bin in einem Garten …« Nun ging ich einen dunklen Weg entlang, der von weißen Rosen gesäumt wurde. Er führte zu einem Springbrunnen aus Marmor, dessen sprudelnde Fontänen im Licht von vielen hundert Fackeln schimmerten. »Das ist
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