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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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war er es, der abgedrückt hat.« Aber wo war dann die Waffe? Die einzige Pistole, die ich gesehen hatte, war die meines Vaters gewesen. »Mein Vater lief die Treppe hinunter, er muss sie beinahe umgerannt haben.«
    »Das schnelle Laufen und der Stress haben sein Herz sehr belastet, und er hat sich bei dem Sturz den Kopf aufgeschlagen, aber es macht den Anschein, als wäre er ein ziemlich zäher alter Knabe. Selbst Jagd auf die bösen Jungs zu machen!« Der Sanitäter hob den Kopf, doch das Lächeln auf seinen Lippen verblasste, als er mich ansah. »Sie machen allerdings keinen so guten Eindruck. Sie sollten sich lieber hinlegen. Ich möchte nicht, dass Sie stürzen und sich verletzen. Das hätte eine ganz schöne Beule am Kopf gegeben, wenn der Detective Sie nicht festgehalten hätte.«
    Ich folgte seinem Rat. Noch immer hatte ich dasselbe Gefühl wie schon vor der Ohnmacht – als sei ich nicht ganz mit meinem Körper verbunden, als schwebte ich noch immer über mir und sah zu, wie der Krankenwagen zum St. Vincent’s Hospital raste, wie ich meinem Vater auf seiner Trage in die Notaufnahme folgte und seine schlaffe Hand festhielt, während man schließlich die
Wunde an seiner Schulter nähte und ihn an einen Tropf hängte. Wer ist diese gefasste Frau?, hätte ich am liebsten laut geschrien. Ich konnte es nicht sein, weil in mir meine Nerven wie Feuerwerkskörper zischten und mein Herz wilde Trommelwirbel schlug. Offenbar täuschte meine ruhige Fassade aber nicht jeden; als der Rettungssanitäter meine Gesichtsfarbe sah, schickte er einen Pfleger los, um mir einen Stuhl zu holen.
    »Ich möchte nicht, dass Sie hier umkippen, während ich Dienst habe«, sagte er mit einem leicht karibischen Singsang, der wie eine warme Brise durch die antiseptische Notaufnahme schwebte. Seine Haut hatte die Farbe von Oolong-Tee, seine langen Dreadlocks hatte er mit einem grell orangefarbenen Stirnband zurückgebunden. Auf seinem Namensschild stand O. Smith.
    »Wird er bald wieder zu sich kommen, Mr. Smith?«, fragte ich.
    »Bei den vielen Schmerzmitteln, die ich ihm gegeben habe, ist das sehr unwahrscheinlich, meine Liebe. Und falls doch, dann wird er noch sehr verwirrt sein. Sie sollten sich lieber ein wenig ausruhen.« Er sprach, als sei er es gewöhnt, dass die Leute taten, was er sagte, aber ich schüttelte den Kopf.
    »Ich bleibe hier«, sagte ich. »Ich möchte nicht, dass er allein ist, wenn er aufwacht.«
    Etwa eine Stunde später wurde mein Vater in ein Krankenzimmer gebracht, in dem noch ein freies Bett stand, und O. Smith sagte, ich könne mich gern ein wenig hinlegen, aber ich hatte Angst einzuschlafen, Angst, dass mein Vater mir entgleiten würde, wenn ich nicht über ihn wachte. Also blieb ich auf einem Stuhl mit gerader Lehne
sitzen, der zwischen dem Bett meines Vaters und einem Fenster stand, das auf die 7th Avenue hinausblickte. Der Himmel über den Gebäuden auf der anderen Straßenseite war dunkel, aber die obersten Fenster reflektierten bereits das perlgraue Licht des Morgengrauens im Osten. Der Regen des gestrigen Tages hatte sich völlig verzogen. Die Luft sah klar und kalt aus. Dampf stieg in gewundenen Schwaden aus den Gitterrosten an der Straße auf. Früher hatte ich stets geglaubt, dass es in jeder Stadt diese schwebenden, weißen Dampfwolken gab, bis mir mein Vater erklärte, dass in New York ein ungewöhnliches Netz aus Dampfleitungen unter den Straßen entlangführte, das noch aus der Zeit vor der Versorgung mit elektrischem Strom stammte.
    »Ich dachte, die Stadt würde auf einer Wolke schweben, als ich das zum ersten Mal sah«, hatte Roman gesagt, wenn er davon erzählte, wie er in den späten Vierzigern im Hafen von New York an Land gegangen war. »Ich dachte, ich träumte.«
    Als Kind hatte ich geglaubt, dass der Dampf, der aus den Gittern und Einstiegsluken austrat, der Beweis dafür sei, dass es unter der Oberfläche noch eine andere Welt gab. Vielleicht jene Welt, von der meine Mutter sprach, wenn sie mir Gutenachtgeschichten erzählte. Sie nannte es das Sommerland oder das Schöne Land, einen Ort, wo stets Hochsommer herrschte, und wo alle Blumen, die irgendwann von den ersten Frühlingstagen bis zum Ende des Herbstes blühten, das ganze Jahr über die schönsten Farben trugen. Einen Ort, an dem klare Quellen aus den Tiefen der Erde traten und wie weiße Spitze über grüne Wiesen rannen, bis sie sich in einem kleinen See sammelten,
auf denen die Schwäne durchs Wasser glitten. Manchmal konnte

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