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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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bedeutete, dass die Haustür offen stand.
    Ich rannte hinter ihm her, und mein Herz schlug wild vor Angst, während ich hastig zwei Stufen auf einmal nahm. Roman hatte eine Pistole in der Nachttischschublade – ein Souvenir aus dem Zweiten Weltkrieg. War er so närrisch gewesen, sie mitzunehmen?
    Auf halbem Weg die zweite Treppe hinunter hörte ich einen lauten Ruf – die Stimme meines Vaters – und dann einen Schuss. Die letzten Stufen sprang ich in zwei Sätzen hinunter und landete im Erdgeschoss auf den Knien. Ich ignorierte den Schmerz und rannte auf die weit
offene Küchentür am Ende des Flurs zu. Mit zwei langen, ungelenken Sprüngen war ich an der Tür … und blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. Die Szene, die sich mir dort bot, war so bizarr, dass ich für einen kurzen Augenblick dachte, dass ich, wie ich es mir als Kind immer erträumt hatte, wirklich in ein Gemälde hineingeraten war: in ein surrealistisches Werk von Dalí oder De Chirico.
    In der Küche standen drei Männer, alle in schwarze Rollkragenpullover, schwarze Hosen, schwarze Handschuhe und schwarze Skimasken gekleidet. Sie hätten bloße Schatten sein können. Einer kniete neben einem Bündel roten Stoffs in der offenen Tresortür und schnitt mit einem Federmesser die Leinwand aus einem Bilderrahmen. Als er fertig war, reichte er das Bild dem zweiten Mann, der es dünn zusammenrollte und dann dem dritten gab, der es wiederum in eine große, längliche Tasche schob, bei der es sich um die Schutzhülle einer Isomatte handelte. Die ganze Situation war so beklemmend, dass ich beinahe gelacht hätte. Aber als ich zu Boden sah, begriff ich, dass das Bündel aus rotem Stoff auf dem Boden neben dem Safe mein Vater war, der rote Morgenmantel weit ausgebreitet, während Blut den weißen Kragen seines Schlafanzugoberteils befleckte.
    Ich gab einen Laut von mir, was ihre Aufmerksamkeit erregte. Alle hoben in genau demselben Augenblick ihre Köpfe und sahen zu mir. Dann hielten sie ihre Augen auf mich gerichtet, scheinbar für eine Ewigkeit, jedenfalls lang genug, dass mir Dutzende von Gedanken durch den Kopf schossen. Sollte ich weglaufen? Aber ich konnte doch meinen Vater nicht zurücklassen? War er tot? Würden sie mich umbringen?
Und, wie ich zu meiner Beschämung sagen muss: Wie werden wir je unsere Schulden zurückzahlen können, wenn sie jetzt alle unsere Bilder stehlen?
    Alle drei wandten sich im gleichen Augenblick wieder ab. Der Mann, der die Leinwände herausgeschnitten hatte, schob die Klinge des Federmessers in den Griff zurück und erhob sich. Der zweite Mann schloss die Tresortür, und der dritte zog den Reißverschluss der Isomattentasche zu. Dann kamen sie auf mich zu.
    Ich drängte mich gegen die Wand des Flures und spürte Ekel in mir aufwallen bei dem Gedanken, sie könnten mich berühren, aber ich konnte nicht davonlaufen, ich musste zu meinem Vater. Die Schattenmänner gingen an mir vorbei, als sei ich nicht da. Ein stechender Geruch erfüllte den Flur – faule Eier und Asche; er drang mir in Mund und Nase, füllte meine Lungen. Der Flur verdunkelte sich, als sie vorübergingen, als ob sich die Schatten aus den Ecken reckten, um sie einzuhüllen. Am Ende des Treppengeländers wandten sie sich um und gingen die Stufen empor.
    Sie waren kaum vorbei, da eilte ich zu meinem Vater und kniete mich neben ihn, tastete nach einem Puls an seinem Hals und schlug den Morgenmantel zurück, um zu sehen, wo die Kugel eingedrungen war.
    Die Eintrittsstelle befand sich unterhalb seines linken Schlüsselbeins, zwei Zentimeter über seinem Herzen. Jedenfalls hoffte ich, dass sie über seinem Herzen lag. Ich spürte einen schwachen Puls unter meinen Fingern und erhob mich nur rasch, um das schnurlose Telefon aus der an die Wand montierten Ladeschale zu nehmen und das Geschirrhandtuch unter der Teekanne hervorzuziehen,
die noch auf dem Tisch stand. Mit leisem Bedauern sah ich, wie die braun glasierte Kanne auf den Boden fiel und in Stücke sprang – sie hatte schon meiner Mutter gehört. Doch ich schob den Gedanken beiseite, drückte das Handtuch auf die Wunde und wählte die Notrufnummer 911. Dort sagte man mir, die Polizei und ein Krankenwagen seien schon auf dem Weg. Nachdem ich aufgelegt hatte, lauschte ich, ob ich die Schritte der Einbrecher auf der Treppe hörte, aber da die Alarmanlage unaufhörlich weiterlärmte, konnte ich nicht erkennen, ob sie zurückkamen oder nicht. Würden sie uns erschießen? Sollte ich versuchen, meinen

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