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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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folgte, schnippte ich mit den Fingern, um eine kleine Flamme zu erzeugen, mit deren Hilfe ich zumindest ein bisschen sehen konnte. Am Fuß der Treppe spiegelte sich mein Flämmchen in einer schwarzen Wasseroberfläche, die kleine Lichtwellen über einen gewölbten Tunnel aus Mauerstein schickte, von dessen Decke Stalaktiten hingen. Baumwurzeln hatten sich durch Ritzen des Mauerwerks gedrängt und sich unter dem Deckengewölbe zu einem komplizierten Gewebe verflochten. Es sah aus wie das Tor zur Unterwelt, aber inzwischen wusste ich, wo wir waren.
    »Der alte Croton-Aquädukt«, sagte ich laut.
    »Ja. Er führt direkt zum High-Bridge-Wasserturm.« Will tat von der letzten Stufe einen Schritt ins Wasser, das, wie ich erleichtert feststellte, nur wenige Zentimeter tief war. Dennoch fühlte ich ein unbestimmtes Grauen davor, es zu berühren.
    »Komm«, sagte er und hielt mir seine Hand hin. »Du bist gestern durch sämtliche Wasserleitungen geschwommen.«
    »Als Gruppe körperloser Moleküle«, antwortete ich und machte nun doch den entscheidenden Schritt. »Und außerdem war das reines Trinkwasser. Das … « Das Nass strömte um meine Füße, und kleine, langgezogene Wellen reflektierten schwarz und weiß im Feuerschein. »Das sieht aus, als könnte es …«
    »Sprich es nicht aus!«, befahl Will, packte mich am Arm und zog mich rasch mit sich. »Je näher wir Dee kommen, desto mehr sind wir seinem Einfluss ausgesetzt.
Er wird alle Ängste aufspüren, die er in deiner Stimme hört, die du vielleicht sogar nur denkst, und sie wahr werden lassen.«
    Na toll, dachte ich. Das Wort Schlangen hatte ich noch gar nicht ausgesprochen, aber nun war es das Einzige, das mir durch den Kopf spukte, höchstens noch begleitet von Begriffen wie Ratten und riesigen mutierten Krokodilen. »Du hast aber doch gesagt, Dee würde uns nicht sehen, wenn wir uns dem Turm unterirdisch näherten.«
    »Ich hoffe , dass er uns nicht sieht, aber selbst, wenn er das nicht tut, dann wird er in den Tunneln ein paar Fallen ausgelegt haben. Aber denk jetzt einfach nicht daran – halte dich nahe bei mir.«
    Will ging so schnell, dass mir gar nicht mehr genug Luft blieb, um zu sprechen. Das ließ meiner Fantasie viel Raum, über die verschiedensten Schrecken nachzugrübeln, die uns hier unten in dem ausgemusterten Aquädukt erwarten mochten. Um sie einzudämmen, versuchte ich mich auf den glühend heißen Zorn zu konzentrieren, den ich empfand, seit ich erfahren hatte, dass Dee meine Mutter getötet hatte. Ich rief mir seinen Anblick ins Gedächtnis, wie er bei dem brennenden Autowrack stand und ein so unbeteiligtes, kaltes Gesicht machte, während meine Mutter verbrannte. Aber statt der Wut, die in mir hätte aufsteigen sollen, spürte ich Entsetzen angesichts der Vorstellung, dass sie ihren Tod in den Flammen gefunden hatte. Auch diesen Gedanken versuchte ich wegzuschieben. Ebendieses Bild hatte ich mir niemals vergegenwärtigen wollen. Sie war schon tot, als das Auto explodierte, versuchte ich mir einzureden. Oder: Die Explosion war so heftig, dass sie gar nichts gespürt hat. Aber wenn ich nun
an John Dee dachte, wie er neben diesem Feuer stand, hörte ich auch die Schreie meiner Mutter und wusste, dass ihre letzten Minuten auf der Erde die Hölle gewesen waren.
    »Wir sind fast an der Brücke.« Wills Stimme riss mich aus meinen schmerzvollen Gedanken. Ich war dankbar für die Ablenkung, aber als ich sah, was vor uns lag, sank mir der Mut. Das Aquädukt fiel ein wenig ab und verlor sich in einer dichten Nebelbank. »Dies ist die Schleusenkammer, in der das Wasser zur Brücke hochgepumpt wurde. Dee hat sie mit Nebel gefüllt, damit sie nicht so leicht zu durchqueren ist. Wir müssen ganz besonders vorsichtig sein. Es gibt Sackgassen und Kanaldüker, die steil den Berghang hinunterführen. Kannst du mit deiner Flamme den Nebel durchdringen?«
    Ich hielt meinen Daumen empor und ließ die kleine Flamme kraft meines Willens zu einem größeren Licht anwachsen. Doch selbst als dreißig Zentimeter hohe Fackel konnte sie den Nebel nicht vertreiben, sondern enthüllte stattdessen Formen in der Düsternis – wabernde Kleckse wie riesige Amöben, die sich wanden, anschwollen, teilten … und dann wieder anschwollen.
    »Was ist das?«, fragte ich und stellte entsetzt fest, dass einige dieser Kleckse annähernd menschliche Gestalt annahmen.
    »Das ist die Zellmaterie des Nebels. Die Dunstschwaden nehmen mit Hilfe negativer Energie konkrete Formen an. Sie

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