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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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gut, dann eben 121½. Es war ja nicht so, dass es die einzige halbe Hausnummer in der Stadt war.
    Vor der Glastür des Puck blieb ich eine Weile stehen und sah in einen langen, schmalen Raum mit einer Decke aus geprägten Zinnkacheln, in dem zusammengewürfelte Stühle zwischen Picknicktischen aus unlackiertem Holz standen. Es gab Gartenstühle aus Metall in verblassten Pastellfarben, verwitterte Liegestühle aus Teak, dick gepolsterte Ruhesessel und Sitzmöbel, die aussahen, als habe man sie aus gebogenen Ästen konstruiert, an denen noch die Rinde saß. Die Tische waren bedeckt mit Teekannen, Porzellantellern und dreistöckigen Etageren, auf denen sich Scones, Sandwiches und Kekse türmten. Ein Tearoom nach britischem Vorbild, trotz des etwas rustikalen Ambientes. Offenbar wurden sie in der Stadt immer beliebter.
    Als ich die Tür öffnete, erinnerte mich das Aroma von warmer Butter und Zucker daran, dass ich seit über vierundzwanzig Stunden nichts gegessen hatte. Wenn ich mir nun eine Kleinigkeit kaufte, gab mir das zudem einen guten Vorwand, mich mit den Stammgästen zu unterhalten, von denen doch irgendeiner über das Geschäft um die Ecke Bescheid wissen musste. Ich ließ mich auf einen Liegestuhl sinken, von dem ich annahm, dass er eigentlich viel zu niedrig sei, der sich aber als erstaunlich bequem erwies. Die Frau, die ich auf der Straße angesprochen hatte, sah zu mir herüber und flüsterte einer anderen Mutter etwas zu. Daher beschloss ich, gleich zur Sache zu kommen, bevor man mich womöglich noch für pädophil hielt.

    »Es tut mir leid, dass ich Sie vorhin so erschreckt habe«, sagte ich. »Aber ich versuche, einen Juwelier aufzuspüren, der ein Geschäft in der Cordelia Street hatte. Wissen Sie, ich hatte die Uhr meines Vaters zur Reparatur gegeben, und jetzt scheint der Laden nicht mehr da zu sein.«
    Der Gedanke an den Verlust eines Familienerbstücks weckte sofort das Mitgefühl der anwesenden Frauen. »Das ist ja schrecklich«, sagte die Mutter eines kleinen Jungen in einem roten Fleece-Kapuzenpulli. »Und es hängt kein Zettel mit neuer Adresse im Fenster?«
    »Nein. Leider weiß ich nicht einmal den Namen des Inhabers. Waren Sie vielleicht einmal in diesem Laden? Er ist gleich hier die Straße hinunter auf der linken Seite.«
    Die Frauen beratschlagten, diskutierten und berieten sich, kamen dann aber zu dem Schluss, nein, niemand von ihnen habe je ein Juwelier- oder Antiquitätengeschäft in der Straße bemerkt, obwohl sie auf dem Weg zu ihren Kindergärten, Parks und Läden alle häufig durch die Cordelia Street kamen. Eine Frau, die ihren kleinen Jungen mit Buster angesprochen hatte, fasste zusammen, was sie offenbar alle dachten: »Es ist komisch, dass da ein Laden war, den keiner von uns je gesehen hat.«
    Dem konnte ich nur beipflichten. Das war wirklich komisch.
    »Aber Sie sollten einmal bei Fen nachfragen«, schlug eine andere Frau vor. »Sie arbeitet immerhin hier.«
    Ich schlussfolgerte, dass sie damit die Bäckerin hinter dem Tresen meinte, und da ich inzwischen auch gemerkt hatte, dass in diesem Tearoom Selbstbedienung war, bedankte ich mich und hievte mich wieder aus dem Liegestuhl. Fen zog gerade ein Blech mit süßen Scones aus
dem kleinen Konvektomaten. Sie trug eine braune Cordjacke über einem cremefarbenen Rollkragenpullover und eine passende, flache braune Cordmütze mit grünem Band, die fest auf ihrem hellbraunen Haar thronte. Auf ihrer schmalen Nase saß eine Brille mit kleinen, runden Gläsern. Sie sah aus, als sei sie geradewegs einer Illustration von Beatrix Potter entsprungen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie auch noch einen buschigen grauen Schwanz gehabt hätte.
    »Der Grund, dass sich niemand von ihnen an den Laden erinnert, liegt darin, dass er gestern vom Dunst verschleiert wurde«, sagte sie, noch bevor ich meine Frage stellen konnte; offensichtlich hatte sie meiner Unterhaltung mit ihren Gästen gelauscht. »Wie haben Sie ihn entdeckt?«
    »Ich hatte mich wegen des Regens im Eingang untergestellt«, erwiderte ich.
    »Ah«, sagte Fen, die Bäckerin, und schob sich die Brille hoch, um mich genauer ansehen zu können. »Wissen Sie, die Damen hatten alle Schirme und Regenmäntel und Buggy-Verdecks, sie brauchten sich nirgendwo unterzustellen. Aber Sie hatten nichts dabei, nicht wahr?« Ihr Blick glitt von meinem Gesicht zu meinen Händen und blieb dort haften.
    »Nein, hatte ich nicht«, bestätigte ich. »Der Wetterbericht hatte keinen Regen angesagt.«

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