Black Swan - Silberner Fluch
dass ich mich verbrannte. Die Zeitung
rutschte auf den Boden, und schnell schlug ich sie auf der Seite auf, die sie gelesen hatte. Es war der Lokalteil, und der Artikel handelte von dem Einbruch in die James Gallery: »Galerie im Village ausgeraubt – zweiter Diebstahl in zehn Jahren.«
» Zweiter Diebstahl «, las ich laut. »Als wären wir das einzige Unternehmen in New York, in das innerhalb von zehn Jahren mehr als einmal eingebrochen wurde.«
»Diese Arschlöcher«, knurrte Becky, als sie die Scones aus dem Ofen holte. »Lass dich davon nicht herunterziehen, Süße. Die wissen doch gar nicht, wovon sie reden.«
Während ich den Rest des Artikels überflog, verstärkte sich mein ungutes Gefühl. Der Reporter hatte die zehn Jahre alten Betrugsvorwürfe gegen meinen Vater wieder ausgegraben. Natürlich stand dort nicht wörtlich, dass an diesem Einbruch irgendetwas verdächtig war, aber zwischen den Zeilen war es deutlich zu lesen. Der Text endete mit dem Satz: »Seitens der Galerie war trotz mehrfacher Bemühungen niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.«
»Als hätte ich jetzt, da Roman im Krankenhaus liegt, nichts Besseres zu tun, als mich bei irgendeiner Zeitung zu melden«, brummte ich und warf einen schuldbewussten Blick auf den blinkenden Anrufbeantworter. Andererseits würde ich mir die Nachrichten ohnehin früher oder später anhören müssen.
»Diese Arschlöcher«, wiederholte Becky und schob mir den Teller mit den Scones zu.
»Hm«, sagte ich und nahm mir eins. »Komisch, ich dachte, wir hätten gestern Abend gar nicht mehr so viele übrig gelassen. Gar keine eigentlich.«
»Dachte ich auch, aber die Tüte war noch fast voll, als ich heute Morgen herunterkam.« Sie biss in das Gebäck, schloss die Augen und stieß ein sanftes Maunzen aus.
»Komisch.« Dann biss auch ich hinein, schloss die Augen und gab mich kurz ganz dem Genuss hin. Augenblicklich fühlte ich mich besser. Dieser Artikel war nicht weiter schlimm. Wenn ich John Dee ausfindig machen konnte, würden die Polizeiermittlungen sicher gleich in eine ganz andere Richtung gehen. Das Problem war nur, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich John Dee aufspüren sollte.
Schließlich öffnete ich die Augen wieder und fegte einen Krümel beiseite, der auf die Zeitung gefallen war. Meine Finger strichen über einen Namen. Über einen Namen, den ich kürzlich erst gelesen hatte, ich wusste nur nicht mehr, wo.
»Will Hughes, erfolgreicher Hedgefonds-Manager auch in schweren Zeiten«, verkündete die Schlagzeile. »Will Hughes erklärte, sein Fonds Black Swan Partners LP, habe seit Beginn des Jahres Zuwächse von vierzehn Prozent verzeichnen können, trotz der dramatischen Abstürze aller Börsenindizes in diesem Jahr.«
»Will Hughes«, wiederholte ich laut. »Das ist der Name, der auf dem Papier aus der kleinen Schatulle stand. Komisch, dass sich sein Fonds Black Swan nennt …« Ich blätterte auf die nächste Seite, wo ein Foto des besagten Brokers abgedruckt war, wie er vor dem Portal eines Gebäudes im Tudorstil stand.
»Hey, der sieht ziemlich gut aus«, sagte Becky.
Das stimmte – gewelltes, hellbraunes Haar umrahmte hohe Wangenknochen, helle Augen unter dunklen Wimpern
und einen vollen, sinnlichen Mund. Aber es war nicht der Mann, der meinen Blick auf sich zog, sondern das Wappen auf dem Torbogen über seinem Kopf. Es war genau dasselbe Motiv wie auf meinem Ring und auf der Schatulle.
Becky bezweifelte, dass es mir gelingen würde, einen milliardenschweren Hedgefonds-Manager einfach so anzurufen und einen Termin mit ihm zu vereinbaren. »Wie willst du überhaupt seine Nummer in Erfahrung bringen?«, fragte sie.
»Über Chuck Chennery«, erklärte ich.
Also rief ich Chuck an, der mir zunächst seine höflichen Genesungswünsche für Roman übermittelte – in seiner steifen Kaufmannsart hätte er niemals durchblicken lassen, dass an der ganzen Sache etwas undurchsichtig war, obwohl er die Geschichte meines Vaters sicherlich kannte. Dann fragte ich ihn, ob er mir Will Hughes’ Telefonnummer besorgen konnte.
»Will Hughes von Black Swan Partners?«, fragte Chuck. »Darf ich fragen, wieso?«
»Ich habe das Wappen wiedererkannt, das auf seinem Foto in der Times von heute über seinem Kopf zu sehen ist«, erklärte ich wahrheitsgemäß. »Ich habe eine ganz ähnliche Gussform und dachte, er könnte vielleicht an einem Medaillon interessiert sein.«
»Ha! Vielleicht können Sie ihn dazu bringen, dass er gleich hundert Stück
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