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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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Wange hinab. Der rote Schleier lüftete sich und wich einem silbernen Schimmern. Ich wollte schreien, doch mir gelang nur ein heiseres, ersticktes Krächzen. Die Lähmung hatte meine Kehle erreicht.
    »Der Biss des Mantikors birgt Gift«, sagte er. »Sie werden sterben, wenn ich es nicht aussauge.« Nun kniete er neben mir und hielt seine Augen weiter auf mich gerichtet. »Aber ich brauche Ihre Einwilligung.«
    Wieder versuchte ich zu schreien, doch nun brachte ich gar kein Geräusch mehr heraus.
    »Nicken Sie mit dem Kopf, wenn Sie einverstanden sind, aber schnell. Wenn das Gift Ihr Gehirn erreicht …«
    Ich wartete nicht, bis er seinen Satz beendet hatte. Mit großer Willensanstrengung bewegte ich mein Kinn auf und ab. Offenbar genügte das, denn er war sofort über
mir, seine Brust drängte gegen meine, sein Mund lag an meiner Kehle. Den Druck seines Körpers fühlte ich nicht, aber was ich deutlich spürte, waren seine Zähne, die sich in mein Fleisch bohrten. Erst kam ein heftiger, schmerzhafter Stich, doch dann verwandelte sich der Schmerz – in eine Wärme, die sich allmählich ausbreitete, über meine Brust bis in den Bauch, bis in meine Arme und Beine, wie eine heiße Flüssigkeit, die durch meine Adern strömte. Sie brannte die Taubheit einfach weg. Langsam wurde ich mir seines Körpers bewusst, der auf mir lag, dem Saugen seiner Lippen und seiner Zunge an meinem Hals. Es war, als zupfte er dabei an einem silbernen Faden, der durch das Innerste meines Wesens ging.
    Ich stöhnte auf, als sich die Muskeln meiner Kehle wieder lockerten. Sein Mund löste sich von meiner Haut, und als sein Atem leicht über die Wunde fuhr, überliefen mich gleich mehrere Schauer. Als er schließlich von mir abließ, konnte ich einen Schimmer silbernen Lichts sehen, das die Luft zwischen uns erfüllte. Es brachte seine Augen zum Leuchten und seine Haut zum Funkeln. Dann ging er wieder in die Hocke und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Jetzt werden Sie es überstehen. Ich glaube, ich habe alles Gift erwischt …«
    Bevor er seinen Satz beenden konnte, begann er zu zittern. Er fiel nach hinten, und ich griff nach ihm, aber er hielt abwehrend die Hand hoch.
    Seine Haut, die schon zuvor blass erschienen war, wurde nun milchweiß, und seine Adern traten dunkelblau darunter hervor. Natürlich hätte ich einfach verschwinden können, während Will Hughes auf dem Boden lag und sich krümmte. Ich hätte gehen sollen . Ich hatte entsetzliche
Angst. Zwar war er jetzt hilflos, aber ich hatte eine Demonstration seiner Kraft bekommen, als er dem Mantikor den Hals gebrochen hatte. Auch seine Blutgier hatte ich gesehen. Vorsichtig sprach ich das Wort für mich selbst aus: Vampir . Allein es zu denken, weckte in mir den Wunsch, wegzulaufen und so zu tun, als sei all das nie geschehen. Aber ich tat es nicht. Er mochte ein Ungeheuer sein ( ein Vampir , sagte die Stimme in meinem Kopf erneut, er ist ein Vampir ), aber er hatte mir das Leben gerettet, indem er das Gift des Mantikors aus meinen Adern gesaugt hatte. Nun marterte es seinen Körper. Ich wollte ihn nicht verlassen, während er wegen mir litt. Und ich wollte mir auch nicht einreden, dass ich mir eingebildet hatte, wie die Statue zum Leben erwacht war. Der Mantikor war lebendig geworden und hatte den armen, unschuldigen Dr. Tolbert getötet. Will Hughes war ein Vampir, und er hatte mir das Leben gerettet. Alles, was mir in den letzten beiden Tagen zugestoßen war, seit ich dieses Geschäft in der Cordelia Street betreten hatte, war Wirklichkeit.
    Die silberne Schatulle hatte sich mit einem Blitz übernatürlichen Lichts geöffnet, blaue Alchemistensymbole waren über den Deckel geglitten, besessene Schattenmänner waren in unser Haus eingebrochen, um das Kästchen zu stehlen, meine Metallskulptur war zum Leben erwacht und hatte mich angegriffen, und mein Vater hatte mit einem Toten gesprochen, der echte Farbflecke auf seinen Laken hinterlassen hatte. All das war wirklich geschehen. Ich war nicht verrückt. Nicht ich hatte den schmalen Grat überschritten, sondern die Welt. Gut möglich, dass ich nicht begriff, was geschah, und gut möglich, dass ich
Angst hatte, aber ich wollte warten, bis der Vampir, der mein Leben gerettet hatte, wieder so weit wohlauf war, um mir alles zu erklären.
    Als das Zittern nachließ, setzte er sich schließlich auf und schlang die Arme um die Knie. Mit einem tiefen Atemzug holte er Luft. »Danke, dass Sie geblieben sind«, sagte er.
    »Danke,

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