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Black Swan - Silberner Fluch

Titel: Black Swan - Silberner Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Carroll
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meinen Blick fest. »Der Mantikor hat sie alle getötet.« Seine Hand glitt meinen Arm hinab. Die Berührung ließ mich erbeben, aber ich entzog mich ihr nicht … und dann sah ich, dass er lediglich auf die Kuriertasche deutete, die ich immer noch um die Brust geschlungen trug. Ich erinnerte mich daran, wie ich sie mir umgehängt und die Schnalle geschlossen hatte, obwohl es sich anfühlte, als sei es in einer anderen Zeit geschehen.
    »Sie haben Ihre Tasche bei sich«, sagte er. »Haben Sie irgendetwas anderes dort zurückgelassen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, aber … Dr. Tolberts Stock … den habe ich mir geschnappt und dazu benutzt, den Mantikor abzuwehren …«
    Hughes hob leicht den Arm. Der Griff von Dr. Tolberts Stock war über seinem Handgelenk eingehakt. »Daran habe ich gedacht. Dort drinnen befindet sich nichts mehr, was Sie mit dem Tod Ihres Freundes in Verbindung bringen würde. Ich weiß, es fühlt sich wie Verrat an, ihn dort zurückzulassen, aber wenn Sie dafür sorgen wollen, dass seine Mörder gerichtet werden, dann müssen Sie nun gehen.« Er deutete mit der Hand den baumbestandenen Weg entlang. Falls es dort Straßenlaternen gab, dann funktionierten sie nicht; der Pfad war in tiefe Dunkelheit gehüllt. Unwillkürlich dachte ich: In dem Augenblick, in dem ich von dem beleuchteten Rasen in die Schatten der Bäume trete, lasse ich mich auf … etwas Unheimliches ein. Kurz zuvor, als ich Will Hughes dabei zusah, wie er sich in
Krämpfen wand, hatte ich geglaubt, das Schlimmste überstanden zu haben. Das Übernatürliche gab es wirklich, das hatte ich akzeptiert. Aber nun verstand ich, dass das nur der Anfang war. Das Übernatürliche forderte mich auf, seine Hand zu nehmen und mit ihm in die Schatten zu treten. Ich sah Will Hughes an. Seine Augen blitzten zu mir hinüber, silbern in der Dunkelheit, wie zwei Leuchtfeuer. Die Schatten würden niemals undurchdringlich sein, wenn mich diese beiden Augen leiten würden. Ich trat aus dem Licht ins Dunkel und dachte dabei, dass ich völlig von ihm abhängig sein würde, sobald uns die Schwärze umfing.
     
    Da irrte ich mich allerdings. Nachdem wir den Weg ein paar Schritte hinuntergegangen waren, konnte ich hervorragend sehen. Es war jedoch nicht etwa so, dass sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hätten; vielmehr schien sich die Dunkelheit mir angepasst zu haben. Mit jedem Schritt öffnete sie sich weiter und gab ihre Geheimnisse preis. Farben, die ich noch nie zuvor gesehen hatte, entfalteten sich in den dunkelsten Schatten: ein tiefes Indigo und Violett, versteckte Zentren aus zartem Lila und blassem Pink. Als wir weiter in den Park vordrangen, öffneten sich die Schatten wie Blüten im Sonnenlicht, nur, dass wir hier eben im Dunkeln tappten. Aus diesen tintenschwarzen Knäueln entrollten sich Kaskaden aus Gold und Silber, die sich zu Wogen aus Licht auftürmten und uns wie Windstöße voranzudrängen schienen. Und bei alldem empfand ich keine Kälte und keine Angst, nur ein überwältigendes Staunen. Wieder sah ich zu Will Hughes und erkannte, dass seine Augen nun wie zwei silberne Sterne in der aufwallenden Dunkelheit schimmerten.

    »Wieso sehe ich das alles?«, fragte ich. »Haben Sie mich so verändert?«
    »Als ich Ihr Blut trank, wird etwas von dem meinen in Ihren Blutkreislauf gelangt sein. Das hat Ihnen ein wenig von meiner Fähigkeit verliehen, im Dunkeln zu sehen …«
    Wie angewurzelt blieb ich stehen und fuhr herum; das Staunen verwandelte sich nun doch wieder in Angst. »Heißt das, ich werde so wie Sie? Werde ich mich in einen Vampir verwandeln?«
    Er sah mich an und nahm mein Entsetzen in sich auf, antwortete aber nicht sofort. Dann wandte er den Blick ab, und die Augen blitzten wieder rot. »Nein. Dazu habe ich nicht genug von Ihrem Blut genommen. Ich hätte Ihnen alles aussaugen und Ihnen dann noch etwas von meinem zu trinken geben müssen …«
    Unwillkürlich entfuhr mir ein Geräusch, das ihn innehalten ließ. »Das stößt Sie ab, nicht wahr? Und dennoch liegt es an diesem kleinen bisschen Blut von mir, das sich mit dem Ihren vermischt hat, dass Sie all diese Wunder wahrnehmen können.« Er öffnete die Arme, als wollte er die Farben, die um uns herumwirbelten, umarmen, und mir tat es leid, dass ich seine Gabe so schlechtgemacht hatte.
    »Geschieht das jedem, den Sie beißen?«, fragte ich und machte dabei einen Schritt nach vorn, damit er nicht sah, dass ich bei dem Wort beißen unwillkürlich

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