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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
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bist mein eigenes Gehirn, das mit mir spielt.«
    »Es heißt Doktor Louis, das werde ich dir schon noch beibringen. Respekt vor der Qualifikation!«
    Er nimmt eine Nadel heraus. Sie ist riesig wie eine Häkelnadel. Dick wie der Finger eines Säuglings. Er streckt die Zunge raus, um sich zu konzentrieren, und selbst blind gelingt es ihm, einen schmutzigen, ausgefransten Faden durch das Öhr der fetten Nadel zu fädeln. »Du kennst nicht mal meinen Nachnamen, stimmt’s?«
    »Du hast keinen Nachnamen!«, schnaubt sie, während sie versucht, die Hände freizubekommen. »Du bist ein Hirngespinst! Ein Fantasiegebilde! Ich interessiere mich nicht für dich. Ich interessiere mich nicht für Geister und Dämonen.«
    »Du fühlst dich schuldig. Das ist in Ordnung. Ich würde mich auch schuldig fühlen. Wir können darüber reden, aber bevor wir das tun, muss ich wirklich deine ungezogene Stelle zunähen. Das ist übrigens medizinischer Fachjargon: ungezogene Stelle. Aber ich weiß, dass du bestimmte Wörter gernhast, deshalb lass es mich anders ausdrücken: Ich muss dir diese stinkende, wurmverseuchte Fotze zunähen, damit du nie wieder ein Baby bekommen kannst, denn das Letzte, was die Welt braucht, ist, dass du dich noch einmal fortpflanzt und deine Gene weitergibst und dein Hurenbecken aufreißt und gebierst, was immer an gottloser kleiner Made sich entschließt, sich aus deiner schorfigen Gebärmutter herauszuwinden.«
    Miriam ist entsetzt – entsetzt über die Worte, die aus seinem (aus ihrem?) Mund kommen. Sie will etwas sagen, aber ihre Stimme ist nur ein Quieken, ein heiseres Piepsen. Sie versucht, nein zu sagen, versucht die Hand auszustrecken und ihn aufzuhalten ...
    Aber sein Kopf taucht ab, und die fette Nadel durchsticht ihre Schamlippen, und sie spürt einen Blutschwall, und sie versucht zu schreien, aber kein Schrei will kommen ...
    Langer Highway – läuft sowohl in der einen als auch in der anderen Richtung ins Nichts. Grau, öde, fahl, rissig. Zu beiden Seiten Wüste: rote Erde, fahles Gestrüpp. Blauer Himmel darüber, aber weit weg walzt sich eine Gewitterwolke wie ein torkelnder Amboss dahin.
    Miriam steht auf dem Seitenstreifen des Highways. Sie schnappt nach Luft, als wäre sie gerade aus dem eisigen Wasser eines Wintersees herausgekommen.
    Sie betastet ihre Schenkel, ihre Genitalien. Kein Schmerz. Kein Blut.
    »Jesus!«, keucht sie.
    »Nicht ganz« – eine Stimme hinter ihr.
    Schon wieder Louis, mit diesen toten X-Augen.
    Er lächelt.
    »Komm mir bloß nicht zu nahe!«, warnt sie ihn. »Wenn du mir zu nahe kommst, breche ich dir dein Baumstammgenick, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist!«
    Er kichert und schüttelt den Kopf. »Ach komm schon, Miriam! Du hast doch schon festgestellt, dass das ein Traum ist. Du weißt doch schon, dass ich du bin. Du sagst also, du willst dir selbst das Genick brechen? Das ist ausgesprochen kontraproduktiv. Regelrecht selbstmörderisch. Du solltest dir professionelle Hilfe suchen.«
    Louis fängt an, auf und ab zu gehen, und als er sich bewegt, sieht Miriam zwei Krähen auf der Mitte des Highways. Dunkle Schnäbel hacken an einem zerquetschten Gürteltier und zerren an roten Muskeln und Sehnen. Das tote Tier sieht beinahe aus wie ein aufgeschlagenes Osterei. Die Vögel hacken aufeinander ein.
    »Vielleicht bin ich nicht du«, sagt Louis, während er langsam von einem staubigen Seitenstreifen zum anderen gleitet wie ein Pingpongball. »Vielleicht bin ich Gott. Vielleicht bin ich der Teufel. Könnte sein, dass ich die lebendige Manifestation des Schicksals oder der Vorsehung bin, dieses Dings, dass du jeden Morgen, wenn du aufwachst, und jeden Abend, bevor dein Kopf ins Kissen sinkt, verfluchst. Wer weiß? Alles, was ich weiß, ist: Es ist Zeit für meet ze monsta . Triff das Monster.«
    Miriam fängt an, mit ihm auf und ab zu gehen. Sie sind wie zwei Raubkatzen, die sich gegenseitig auf entgegengesetzten Seiten des Käfigs belauern.
    »Bring mich aus diesem Traum raus!«, sagt sie.
    Er ignoriert die Aufforderung. »Vielleicht bin ich aber auch wirklich Louis. Vielleicht bin ich sein schlafender Verstand, der parapsychologisch nach dir ruft – denn schließlich bist du doch so sensibel. Armes kleines übersinnliches Mädchen! Vielleicht weiß ich, was kommt, und flehe dich an, es zu verhindern. Bitte, mach, dass es nicht passiert, Miriam! Buhu.«
    »Ich kann es nicht verhindern.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Du hast immer noch

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