Blackbirds
hereingewehter Müll an der Wand, ein verschlafenes, beinah betrunkenes Lächeln übers Gesicht geschmiert. Ein schläfriges Lid halb geschlossen.
»Können wir jetzt gehen?«
Sie tritt ihm in den Mund.
Sein Hinterkopf kracht gegen die Wand. Ihr Absatz schlägt ihm einen der unteren Schneidezähne aus, der wie eine Springbohne über den Teppich hüpft, bevor er zur Ruhe kommt.
Ein rotes Rinnsal benetzt seine Lippen.
»Autsch«, sagt er.
Ein paar Zimmer weiter geht eine Tür auf, und ein blasser Mann mit Wangen wie Hundelefzen guckt raus. Miriam sagtihm, wenn er den Kopf nicht wieder in sein Zimmer steckt, wird sie ihn ihm abreißen und Feuer in sein Halsloch pissen.
Er macht schnell wieder die Schildkröte.
»Der Trucker. Er ist weg, oder?«
Miriam sagt nichts. Sie ist ein schwelender Vulkan.
Ashley wischt sich über die Lippen. »Dann haben wir ein Problem.«
»Fahr zur Hölle!«
»Du liebst mich«, sagt er, wobei er Blut spuckt.
»Träum weiter!«
»Du brauchst mich.«
»Das mag vorher vielleicht gestimmt haben. Jetzt stimmt es nicht mehr.«
Er grinst. Rote Zähne, als ob er Himbeeren gegessen hätte. »Du willst mich.«
»Ich bedauere dich.«
Sie räuspert einen Klumpen Schleim hoch. Sie schickt sich an, ihn ihm in den lächelnden Mund zu spucken.
Dann ...
Vorn im Flur tauchen sie auf. Wie zwei Schatten. Zwei Dämonen.
Frankie in seinem schwarzen Anzug. Harriet, nicht in ihrem Rollkragenpullover, sondern in einer dunkelroten Bluse, einer Weihnachtsbluse, obwohl fast Juli ist.
Sie haben Pistolen.
Miriam sieht sie und Ashley nicht, anfangs nicht. Aber seine Blicke folgen ihren Blicken, und als ihm endlich klar wird ...
»Wir sind tot«, sagt er, ein heiseres, panisches Flüstern.
Miriam ist nicht vorbereitet. Normalerweise hätte sie diesen Ort ausgekundschaftet. Sie würde die Ausgänge kennen. Die Nischen. Die sicheren Orte und Schwachstellen. Mit Louis zusammen zu sein hat sie langsam gemacht und faul. Als sienoch ein Kind war, ging ihre Mutter immer Hand in Hand mit ihr durch den Laden und drückte dabei so fest zu, dass Miriam dachte, sie würde ihr die Knöchel brechen. Aber irgendwann lernte sie, nicht dagegen anzukämpfen, denn dann lockerte ihre Mutter den Griff – und dann, hoppla, konnte Miriam die Hand herausziehen und in den Süßigkeiten- oder Müsligang laufen. Das hier ist genauso. Sie hatte ihren Griff gelockert.
Im Augenblick hat sie nur eine wirkliche Option: den Notausgang rechts am Ende des Flurs. Während sie durch den Flur staksen, wird sie ins Freie auf den Parkplatz flüchten.
Alles scheint sich in Zeitlupe abzuspielen, als ob sie Ketten um Arme, Beine, Hüfte hätte, die sie zurückziehen, ihre Flucht aufhalten.
Sie dreht sich um ...
Ashley versucht sich taumelnd aufzurappeln, aber er ist schwach, geschlagen ...
Miriam rennt, aber hinter ihr bewegen die beiden Killer sich ohne Zögern, Hände oben, Pistolen oben ...
Sie sind jetzt zwanzig Fuß weg und kommen näher ...
Ashley kann nicht stehen. Er ist auf allen vieren und krabbelt wie ein panisches Tier, das versucht, eine felsige Böschung hinaufzuklettern. Er schreit ...
Fünfzehn Fuß jetzt, vielleicht weniger. Sie kann es nicht sagen; alles scheint falsch ...
Miriam spürt etwas an ihrem Ohr vorbeisausen; sie reißt den Kopf nach links, als ein Draht mit zwei Metallsonden daran gegen einen Wandleuchter aus falschem Gold plingt. Sie weiß nicht, was es ist, bis ...
Ashley schreit auf, ein stammelndes Klagen durch geschlossene Zähne; sein Körper krampft, wird steif, die Augen groß wie ein paar Scheinwerfer ...
Taser , denkt sie, keine Pistolen. Taser, sie haben mich verfehlt ...
Ihre Schultern krachen gegen die Notausgangstür und stoßen sie weit auf. Kein Alarm geht los; es geht nie ein Alarm los, egal was die Warnschilder behaupten. An Orten wie diesem scheinen sie nie an irgendeine gottverdammte Sache angeschlossen zu sein. Sie schmeckt die Abendluft; sie sieht den Highway vor sich ...
Bäng .
Ein Arm in einem weißen Anzug prallt an ihre Luftröhre. Ihre Absätze rutschen unter ihr weg. Sie knallt mit dem Rücken hart gegen die Notausgangstür, die hinter ihr zuschlägt.
Sie schnappt nach Luft und schaut hoch.
» Sie! «, keucht sie.
Der Mann wirkt überrascht. Ein dünnes Lächeln spielt um seine Mundwinkel.
»Wir kennen uns nicht«, sagt er.
Wumm . Jemand – Frankie, Harriet, beide – trifft von der anderen Seite auf die Tür, aber wer immer es ist, er rechnet nicht damit, dass
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