Blackbirds
Zwei Rosen aus Blut blühen auf Glatzes Rücken auf, als er Mister Mitternacht loslässt. Der große Hurensohn, der sich das nur noch aus rohem F leisch bestehende Gesicht hält, geht in die Knie – und als er das tut, kann Glatze ihm mühelos das gekrümmte Khukuri aus dem schlaff werdenden Griff winden.
Glatze wendet sich dem Junkie zu, die Klinge hoch erhoben.
Sein Gesicht ist ein eingefrorenes, blutrotes Grinsen. Ein Schädel mit Lippenstift aus Blutflecken.
Glatze schlägt auf den Junkie ein.
Die Klinge spaltet dem Junkie den Kopf, genau mittendurch.
Der Revolver geht erneut los.
Glatzes Hirn fliegt durch die Luft, als schleudere jemand schmutziges Waschwasser herum.
Blut läuft in Zickzackbahnen sein Gesicht herab. Er sieht sich um. Er sitzt auf den Stufen, als der Junkie neben ihm die Stufen herunterfällt. Das rote Zeug tropft ihm von der Nase aus auf die Lippen, und er leckt es weg und sieht dabei aus wie einer, der den Geschmack genießt und ernsthaft darüber nachdenkt, Kannibale zu werden. Dann kippt er auf die Seite. Tot.
... und presst ihre Wangen so hart zusammen, dass ihre Zähne sich in die Innenseite ihrer Wagen graben.
Er hält sie so fest und starrt ihr in die Augen.
»Du hast es gesehen«, wispert er. »Du hast gesehen, wie ich sterbe.«
Miriam nickt, soweit sein Griff es ihr erlaubt.
Strahlend lässt er sie los. Er ist neugierig. Begeistert. »Sag es mir. Sag es mir jetzt.«
Miriam grinst bedauernd.
»Ich töte Sie«, lügt sie. »Ich bin es. Ich schieße Sie direkt in Ihren verdammten Kopf.«
Glatze betrachtet ihr Gesicht. Sein Blick ist auf einmal panisch.
Du kannst mich vielleicht zwingen, meine Vision zu haben ,denkt sie. Aber du kannst mich nicht zwingen, dir die Wahrheit zu sagen.
»Sie lügt«, sagt Harriet. »Ich kann das erkennen.«
Glatze tritt zurück.
»Du wirst es mir erzählen«, sagt er immer noch verunsichert. »Du wirst es mir erzählen, denn so kann ich es vermeiden. Ich werde dem Schicksal ein Schnippchen schlagen. Ich werde den Tod mit deiner Hilfe umgehen, auf welche Weise auch immer.«
»So funktioniert das nicht«, sagt Miriam und schmeckt den kupferartigen Geschmack an den Stellen, an denen sie sich in die Wange gebissen hat. »Das System kann man nicht austricksen. Die Bank gewinnt immer.«
»Ich bin anders.«
Glatzes Handy klingelt. Er hält es hoch, sieht auf die Nummer und schnippt mit den Fingern nach Frankie. »Du. Unsere neue Mitarbeiterin braucht eine Pause.«
Glatze geht ans Telefon, während Frankie sich unter dem Türrahmen hindurchduckt, fortgeht und mit einer Spritze zurückkommt.
Miriam zappelt und hofft, die Dusche herunterzureißen, vielleicht sogar das ganze Haus zum Einsturz zu bringen.
Frankie sticht die Nadel in ihren Hals.
»Ja?«, fragt Glatze am Telefon.
Die Welt verschwimmt an den Rändern. Sie ist eingerahmt von Schatten und Undeutlichkeit.
»Sie wissen wo?«, hört sie Glatze sagen, aber es ist, als höre sie ihn durch das Glas eines sprudelnden Aquariums. Seine Worte werden langsam. Honig, Melasse, schwarzer Teer. »Sie wissen also, wo der Trucker ist?«
Louis, denkt sie.
Dann gibt die Dunkelheit ihr wieder einen Zungenkuss.
Licht aus.
ZWISCHENSPIEL
Der Traum
Miriams Mutter sitzt an einem Tisch, aber sie sieht sie nicht. Kann sie wahrscheinlich auch gar nicht. Das ist das Frustrierende daran. Miriam hat die Frau acht Jahre lang nicht gesehen, aber das ist nicht einmal wichtig, weil das hier ein Traum ist, und sie weiß, dass das ein Traum ist.
Ihre Mutter ist eine verkniffene Frau, eingefallen und vertrocknet wie eine gedörrte Aprikose. Sie ist gar nicht so alt, nicht wirklich, aber sie sieht so aus. Die Zeit – falsche Zeit, Traumzeit, die Zeit in Miriams eigenem, durchgeknalltem Kopf – hat ihren Tribut verlangt.
»Es ist jetzt fast vorbei«, sagt Louis hinter ihr.
Das Klebeband über seinen Augen blubbert und hebt sich, so wie feuchte Tapete, hinter der eine Flut von versteckten Kakerlaken wabert.
»Ja«, erwidert Miriam.
»Was sehen wir hier?« Louis sieht auf sein Handgelenk, als sehe er auf eine Armbanduhr, obwohl keine da ist. »Noch vierundzwanzig Stunden oder so.«
Ihre Mutter öffnet eine Bibel und vertieft sich in die Seiten.
»Ist es aber ein Gelübde oder freiwilliges Opfer, so soll es desselben Tages, da es geopfert ist, gegessen werden«, liest ihre Mutter vor. »So aber etwas übrigbleibt auf den andern Tag, so soll man‘s doch essen. Aber was vom geopferten Fleisch übrigbleibt
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