Blackbirds
Wunsch, sondern meiner.« Harriets Augen glitzern. »Manchmal muss ein Mädchen eben ein wenig Zeit für sich selbst haben.«
»Und Maniküre und Pediküre täten es da nicht auch?«
Harriet stellt einen Fuß auf den Rand der Badewanne.
»Du und ich, wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt«, sagt sie.
»Das ist wahr«, geht Miriam darauf ein. Aber sie fügt im Stillen hinzu: In Bizarro-World vielleicht.
»Wir sind beide Überlebenskünstler. Wir beide tun, was wir tun müssen, um den nächsten Tag zu erleben. Aber was noch wichtiger ist: Du und ich genießen, was wir tun. Du bist ein Monster, und ich bin auch eins. Und wir lieben es. Ich natürlich noch mehr als du. Du tust immer noch so, als bedrücke, als quäle es dich; eine kleine Drama-Queen, die den Handrücken an die Stirn drückt – oh, ich bin die Klage selbst! Ich habe mich schon weiterentwickelt.«
»Bedrückt oder quält es dich nicht?«, will Miriam wissen.
»Da ist nichts mehr, was mich berührt. Ich habe das hinter mir gelassen.«
»Wie hast du das geschafft?«
»Ingersoll hat mir gezeigt, wie das geht.«
»Glatze? Was sagt man dazu! Ich glaube, das ist eine echt interessante Geschichte.«
Und Harriet erzählt sie ihr.
ZWISCHENSPIEL
Harriets Geschichte
Ich habe meinen Mann in Stücke gehackt und ihn in den Müllzerkleinerer gesteckt.
DREIUNDDREISSIG
Kurz, aber nicht schön
Miriam wartet darauf, ob mehr kommt.
Harriet steht mit zusammengepressten Kiefern da. Ihre Fäuste öffnen und schließen sich.
Irgendwo zirpen Grillen. Steppenläufer werden vorbeigeweht. Zwischen Miriam und Harriet liegt jetzt ein Abgrund, eine weite, offene Fläche, die von nicht sehr viel mehr als heulendem Wind beherrscht wird.
Diese Verzögerungstaktik tut Miriam nicht gerade gut.
»Das war’s?«, will sie wissen.
Harriet scheint verwirrt. »Was meinst du?«
»Das ist doch keine Geschichte. Das ist das Ende einer Geschichte.«
»Für mich funktioniert sie.«
»Ich stell mir bloß vor, dass da mehr hintersteckt«, sagte Miriam. »Du bist doch nicht eines Tages aufgestanden, hast deinen Mann in Stücke gehackt und ihn in – echt? Du hast ihn in den Müllzerkleinerer gesteckt?«
»Das ist machbar«, sagt Harriet ohne besondere Betonung. »Nicht die Knochen. Aber den Rest.«
»Deinen Mann?«
»Meinen Mann.«
Wieder herrscht Schweigen. Das Haus um sie herum arbeitet: Es knarrt und ächzt, ein leises Knacken, so wie ein Löffel, der die braune Karamellkruste einer Crème brulée zerbricht.
»Ich meine nur – ich meine, es muss da doch einen Hintergrund geben.«
Harriet steigt über den Badewannenrand und rammt Miriam den Ellbogen ins Gesicht. Auf den Kiefer, um genau zu sein. Vor Miriams Augen explodiert grellweißes Licht, dem ein saugender Schlund ins Weltall folgt, wie ein Schwarzes Loch, dass ihr rasend schnell entgegenkommt. Wieder einmal schmeckt sie Blut. Ihre Zunge sucht vorsichtig nach einem wackligen Backenzahn.
Miriam dreht den Kopf und spuckt scharlachroten Speichel an die verblassten Kacheln. Platsch . Erst will sie in Harriets Auge spucken, aber derzeit kann sie sich nicht vorstellen, dass das konstruktiv wäre. Vielleicht später.
»Oookay«, sagt Miriam und spürt bereits, wie ihre Lippe taub wird und anschwillt. »Also bist du eines Tages einfach aufgestanden und hast beschlossen, deinen Gatten in Stücke zu hacken und ihn in den Müllzerkleinerer zu stecken.«
»Er hat es verdient, wenn du das wissen willst.«
»Nein, das wollte ich nicht wissen. Aber das klingt im Gegensatz zu dem, was du gerade behauptet hast, durchaus so, als ob mehr dahintersteckt.« Miriam blinzelt. »Ich glaube, ich sabbere Blut.«
»Das tust du.«
»Oh. Gut zu wissen.«
Harriets Handy brummt. Sie öffnet es, sieht auf das Display, aber so, dass Miriam nichts sehen kann. Ihr Gesicht zeigt keine Emotionen, aber sie hält inne und scheint nachzudenken.
Dann zuckt sie schließlich mit den Achseln und erzählt ihre ganze Geschichte.
ZWISCHENSPIEL
Harriets Geschichte, diesmal mit Gefühl
Walter war für mich immer ein Buch mit sieben Siegeln.
Ich habe ihn geheiratet, weil man das eben so tat. Meine Mutter hat es getan. Meine Großmutter. All die Mädchen in meiner Nachbarschaft haben es getan. Sie haben Männer gefunden und diesen Männern durch dick und dünn zur Seite gestanden. In meinem Leben waren Frauen den Männern eine Stütze. Sprungbretter. Staubsauger mit Brüsten.
Mein Mann hatte nie Sinn für Eleganz, keinen Schimmer von
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