Blackhearts: Roman (German Edition)
Die Tür zur Verzweiflung weit aufgestoßen, die unfassbare und bedrohliche Dunkelheit dahinter.
Vielleicht ist es aber auch eine Strafe. Vielleicht wollte sie diese Frau bestrafen. Sagen: Fick dich, du willst meine Hilfe nicht? Du verschüttest meinen Scotch, lässt hundert Dollar von meinem Geld baden gehen? Wie ein passiv-aggressives Kind, das eine Pflanze von der Fensterbank stößt, um seine Mutter böse zu machen: Sie hat gelogen. Eine Lüge, entsprungen schwacher und heimlicher Rachegefühle. Eine flüchtige Vergeltungsmaßnahme.
Doch auch das ergibt keinen Sinn. Es zeigt nicht das ganze Bild. Ist vielleicht ein Teil des Puzzles – vielleicht die Umrandung, die trotz fehlenden Inhalts eine Form abbildet –, aber es ist nicht das gesamte Bild.
Sie tut das einzige, was sie im Moment tun kann. Sie raucht.
Was soll sie danach tun?
Sie hat eine Tasche voller Geld. Sie könnte alles Mögliche machen. Sich ein Taxi nehmen. In ein billiges Schnellrestaurant gehen. Einen Stripclub besuchen. Ihr Handy wegschmeißen, sich ein Prepaid kaufen. Einen Bus besteigen nach irgendwohin, wo sie noch nie war. Nach Nirgendwo. Nach Maine, Kalifornien, Montreal, Tijuana. Hummer, Avocados, Beignets, eine dieser abgefahrenen Esel-Sex-Shows auf der mexikanischen Baja California anschauen.
Nichts davon klingt verlockend. Das überrascht Miriam. Diese Sachen sollen alle ziemlich toll sein. Aber genau diese Vorstellung, wieder zu flüchten, langweilt sie. Wie bei einem schalen Mineralwasser, die Bläschen sind alle verschwunden.
Miriam nimmt den Tequila, schraubt den Deckel ab.
Trink aus.
Mild und Sauer laufen ihre Kehle runter. Der Tequila liegt in ihrem Magen wie eine in Apfelessig und Skorpiongift getränkte Turnsocke.
Sie rülpst. In der Nähe fliegen verängstigte Vögel auf.
In diesem Moment sind ihre Gedanken wie Niednägel in ihrer Haut. Sie will an ihnen herumzupfen, auch wenn das bedeutet, sie so weit rauszuziehen, dass es ihr den Arm wie mit einem Reißverschluss öffnet und eine blutige, zerteilte Masse ans Licht kommt.
Eine bequeme Lösung, um die Seele zu besänftigen: Haarfärbemittel. Balsam für schlechte Gedanken.
Tschüss, hässlicher Kastanienmopp. Tschüss, Original. Tschüss, braves Mädchen.
Hallo, verfickter Fuchsia-Flamingo.
VIERZEHN
Der Club der bösen Mädchen
Tja. Das war nicht gut gelaufen.
Miriam sitzt vor dem Büro des Rektors, eine Handvoll hauchdünner brauner Papiertücher um den Kragen gesteckt. Alle durchweicht. In ihrer Tasche: die noch ungeöffnete Schachtel mit rosa Haarfärbemittel.
Ihre Kopfhaut brennt. Besonders die von der Kugel gegrabene Hautfurche.
Sie hatte sich gedacht, scheiß drauf, ich kann mir die Haare in einem der Mädchenklos färben. Kümmert doch keinen, oder? Sie ging ins Schulgebäude, lief eine Weile herum, fand eine Toilette. Fing an, das alte Kastanienbraun mit dem Bleichmittel zu killen, und währenddessen rauchte sie ein paar mit zwei der älteren Mädchen, die reinkamen. Eins davon war ein nettes schwarzes Mädchen namens Sharise, das andere dessen schlaksige weiße Freundin Bella.
Sie rauchten. Sprachen über die Hölle der Highschool. Gute Zeiten.
Aber dann – kamen die Bullen reingewalzt. Polente. Jemand musste Miriam gesehen haben, wie sie durch die Gänge gestreift war, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, wurde sie von zwei Wachmännern hierher eskortiert. Ein Kerl, der aussah wie eine hypersteroidisierte Autoritätsmaschine mit geschorener Kopfhaut und Muskeln, die von seiner Wachmannuniform nur schlecht in Zaum gehalten wurden. Der andere Kerl sah aus wie der italienische Klempner aus diesem Videospiel. Aber noch kleiner. Und ein bisschen fetter.
Und jetzt das Büro des Rektors. Beziehungsweise knapp davor. Sie sitzt einer Wand mit Holzvertäfelung gegenüber. Messingwandleuchter. Ödstadt. Langweilopolis. Gähnwelt.
Neben ihr hockt irgendeine rothaarige Göre mit Sommersprossenschmierspur überm Nasenrücken, deren blasiert verschränkte Arme den marineblauen Blazer an ihrer Brust zerknittern. Das Mädchen riecht schwach nach Zigaretten. Eine andere Marke als die, die Miriam raucht.
Augenblick mal.
Miriam sieht noch einmal hin.
»Du bist dieses Mädchen!«
Das Mädchen blickt finster drein. Grinst dann höhnisch, eine Augenbraue hochgezogen. »Was?«
»Das Mädchen mit dem Skizzenbuch. Und dem …« Miriam ahmt das Zuschlagen nach. »Bäm!«
»Oh – ja. Sie hat gesagt, mein Blatt sieht wie ein Hundehintern aus.«
»Und, war
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