Blackhearts: Roman (German Edition)
lassen.«
»Ich hinterlasse bloß eine Nachricht. Für meine Schwester.«
»Ja, ja. Der Zug ist abgefahren, Miss Black.«
Sie steht auf. Verschränkt die Arme. »Ach ja. Stimmt.«
»Was dagegen, mir zu erzählen, was Sie hier wirklich machen?«
»Der Teil mit der Schwester war eine Lüge, aber die Sache mit der Nachricht trifft den Nagel auf den Kopf. Ich will mit Wren sprechen. Nur noch ein Mal.« Und mit Tavena White, aber das musst du nicht unbedingt wissen . »Hey, geben Sie mir eine Info: Haben Sie mir die Bullen wieder auf den Hals gehetzt?«
»Sie meinen die Wachmänner.«
»Ich meine Doktor Steroid und seinen italienischen Pornostarkumpel.«
»Sims und Horvath. Respekt, bitte.«
»Da ist kein Respekt im Spiel, Chef.«
War das ein Lächeln? »Nein, ich habe sie nicht gerufen. Sieht aus, als ob Sie neulich ziemlich gute Arbeit bei Sims geleistet hätten – ich habe mir die Überwachungsbänder angesehen. Recht beeindruckend.«
»Das war es.« Sie zwinkert. »Trotzdem. Ich bin hier wohl aufgeflogen, stimmt’s? Sie werden mich persönlich in den Karzer werfen?«
»Karzer?«
»Das ist ein Wort. Bedeutet Gefängnis.«
»Ich weiß, was es bedeutet.«
»Und? Mögen Sie keine Wörter? Ich mag Wörter.«
»Schön für Sie. Nein, ich werde Sie nicht einsperren.«
»Sie könnten die echte Polizei rufen. Ich bin ein bisschen verwundert, dass sie neulich niemand gerufen hat. Insbesondere, wo es eine Videoaufnahme von meiner kleinen Kantinenorgie gibt.«
Er zuckt die Schultern und kommt näher an sie heran. Nur einen Schritt, aber die Bedrohung ist trotzdem da. Eine aufregende Bedrohung. Eine Bedrohung, die Miriam gefällt.
»Wir holen die Polizei nicht gern her, wenn wir es vermeiden können. Einige dieser Mädchen haben schon viel zu viel Polizei gesehen. Wir wollen den Fortschritt, den wir mit den schwierigeren machen, nicht gefährden. Deshalb: Nein, ich werde die Polizei nicht rufen. Nicht solange Sie mir verraten, wieso Sie eine Nachricht hinterlassen wollen. Wieso wollen Sie mit Wren sprechen? Was hat es damit auf sich?«
Miriam beginnt, sich langsam nach rechts zu bewegen. Er bewegt sich nach links. Sie umkreisen irgendeinen unsichtbaren Punkt, wie einen Maibaum, an dem sie beide angebunden sind.
»Ich versuche, sie zu beschützen.«
»Zu beschützen? Wovor?«
»Sie würden es mir nicht glauben, wenn ich es Ihnen erzähle.«
»Versuchen Sie’s!«
»Nicht in einer Million Jahren, Kung-Pao-Huhn.«
Umkreisend, umkreisend. Motten um ein Licht. Blut einen Ausguss hinunter.
»Ich mag den Gedanken, dass ich ihr Beschützer bin«, sagt er. »Nicht Sie. Ich . Und die andern Lehrer und Lehrerinnen hier. Wir sind diejenigen, die auf diese Mädchen aufpassen.«
»Sie machen einen scheiß Job!«
Das hat gesessen. Er sackt ein bisschen in sich zusammen. Als hätte eine unsichtbare Faust ihm gerade eine in den Bauch geknallt. Überraschend. Und sonderbar. War er wirklich so engagiert?
»Ich sag Ihnen was«, beginnt er. »Ich habe das Bildmaterial gesehen. Sie haben ein paar gute Bewegungen drauf. Gehen wir in die Turnhalle und wir sparren ein bisschen. Wenn Sie mich schlagen, lasse ich Sie gehen und stelle keine Fragen mehr.«
»Und wenn Sie mich schlagen? Was, nebenbei bemerkt, nicht passieren wird.«
»Dann rufe ich die Polizei.«
»Abgemacht!« Sie denkt, Nix abgemacht, Blödmann! Was sind wir denn – zwei Ehrenmänner, die sich duellieren wollen? Ehre ist Miriam Black keinen Sack glitschiger Schwänze wert. Ehre ist bloß ein Schwachsinnskonzept, das sich irgendwer ausgedacht hat. Ehre! Dabei kommt ihr ein mittelalterliches Gedicht in den Sinn, über das sie einmal irgendwo gestolpert ist –
Die Ehre hat den Frauen Gott gegeben
Dass man sie auf der Erde
Als das höchste Wesen ehren
Und ihr Lob vergrößern soll.
Um ihnen dann den Mund mit Stacheldraht zu umwickeln und die plappernde Zunge herauszuschneiden.
Miriams Hände ballen sich zu Fäusten.
»Alles in Ordnung?«, erkundigt er sich. »Sie sehen aus, als hätten Sie gerade ein Gespenst gesehen.«
»Hören Sie auf zu labern«, sagt sie. »Bringen wir’s hinter uns!«
DREISSIG
F-Bomben
Die Turnhalle ist ein einziges großes Echo. Jeder Schritt auf der blauen Matte. Jeder Stellungswechsel. Jeder kurze Atemzug, jedes Knöchelknacken und jedes Schmatzen.
Beck macht Anstalten, sich zu verbeugen – faltet die Hände zu kleinen buddhistischen Tempeln und knickt dann langsam in der Hüfte ab. Doch Miriam hat keine Zeit
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