Blackhearts: Roman (German Edition)
nicht«, sagt sie. Scheiße!
Zum einen ist dieses Tattoo auf dem Bizeps irgendeines Kerls. Und während der Gabelschwanz und die nach hinten gebogenen Flügel zwar da sind, ist hier noch weit mehr los: jede Menge Details im Gefieder, im Auge. »Das ist nicht richtig. Das, was ich suche, ist auf der Brust eines Kerls. Es hat annähernd die gleiche Form wie das hier, aber wenigerDetails. Mann, es ist so, wie ich’s am Telefon gesagt habe. Nur ein Umriss. Das einzige Detail ist das Auge, ein kleines rundes Loch, wo der Künstler die Tinte ausgespart hat.«
»Nee. Tut mir leid. Das hier ist das einzige im …«
Das letzte Wort, das er sagt, ist »Buch«, aber es klingt ganz verzerrt und schwammig, als würde jemand in der Tonkabine, die Miriams eigener Kopf ist, mit Knöpfen und Reglern spielen. Ihr wird heiß, und das Bild vor ihrem inneren Auge wird schwächer.
Sie macht einen Schritt zurück, und in dem Moment sieht sie es.
In dem Fernseher in der oberen Ecke des Raums.
Ein Mädchengesicht. In den Nachrichten.
Ein Schädel schwebt über dem Gesicht. Mund offen. Blutschlieren aus den Augenhöhlen.
Mit einem Mal ist alles wieder normal.
Bryan fragt: »Ist alles in Ord-«
Aber sie bringt ihn mit einem Zeigefinger zum Schweigen.
Sie hört zu. Sie sieht hin.
»Ein Zeuge beobachtete, wie das Mädchen, die achtzehnjährige Annie Valentine, von einem Mann in einem Kapuzensweatshirt in den Fond eines Typ-A-Schulbusses geschleppt wurde. Der Zeuge berichtet, Blut am Kopf des Mädchens gesehen zu haben.«
»Ein Schulbus«, murmelt sie.
Sie zeigen das Bild noch einmal. Es sieht aus wie ein Schnappschuss, der aus Facebook stammt. Lange, glatte dunkle Haare. Durchschnittsgesicht. Die Sorte Mädchen, die man heiratet, nicht die Sorte, von der ein Kerl träumt. Auf dem Bild sieht sie betrunken aus. Sie hält einen Plastikbecher mit irgendwas Pissefarbenem hoch. Bud oder Coors oder ein anderes wässriges Light-Bier.
Der Schädel schwebt über ihr, blendet sich ein und aus.
Genau wie sie es über Tavena Whites Gesicht gesehen hat.
Ein Zeichen. Wie ein Straßenschild, das ihr den Weg zu ihrem Reiseziel weist. Aber in diesem Fall ist ihr Reiseziel ein schlechtes Karma, eine kaputte Brücke, ein sturmgepeitschter Fluss, der hungrig alles verschlingt.
»Nein, nein, nein«, sagt Miriam. Es passiert. Es passiert jetzt. Nicht in zwei Jahren. Jetzt . Vielleicht passiert es schon die ganze Zeit.
»Wie? Du kennst dieses Mädchen?«
»Ich … nein.« Doch wie kann sie sagen, was sie denkt? Die Wahrheit wird ihr nicht helfen. (Sie hört Wrens Stimme in ihrem Kopf: Psycho! ) Sie weiß nur, die Zeit drängt jetzt . Eigentlich hat die Zeit schon immer gedrängt, aber zwei Jahre waren noch eine angenehm lange Spanne. Aber jetzt ist ein Mädchen entführt worden.
Sie könnte schon tot sein.
Miriam kann das Ticken in ihrem Ohr hören. Und das Rauschen von Flügeln.
»Du siehst ganz schön mitgenommen aus wegen eines Mädchens, das du nicht kennst.«
Ihre Haut juckt. Es kommt ihr vor, als würden die Zähne in ihrem Mund vibrieren. Der ganze Stress des Tages – ihre Mutter in Florida, Onkel Jacks Schwachsinn, was auch immer zum Teufel mit Beck passiert ist und jetzt das hier – fühlt sich an wie ein Stilett an ihrem Halsansatz, dessen Spitze immer mehr Druck ausübt.
»Habt ihr hier irgendwo so was wie … wie ’nen Computer?«
»Was? Ja klar.«
»Ich muss ihn benutzen.«
»Tut mir leid, der ist nur für den Privatgebrauch.«
»Ich sage es dir noch einmal: Ich muss ihn benutzen!«
»Das hier ist keine Bücherei!«
Sie greift in die Tasche, zieht einen zerknüllten Zwanzig-Dollar-Schein heraus. Lässt den kleinen Geldbrocken auf die Ladentheke fallen. »Dies ist mein erstes Angebot. Mein zweites Angebot wird um einiges weniger lukrativ sein und um einiges mehr ich , weil ich voll ausrasten werde! Mein Rat: Zwanzig Dollar in der Tasche ist besser als das, was du wirst ausgeben müssen, wenn ich hier in deinem äußerst netten, gut gepflegten, gut beleuchteten Laden fuchsteufelswild werde. Was kostet eigentlich so eine kaputte Vitrine?«
Er mustert sie. Sie trägt ihr kleines Irres, und wahrscheinlich sieht er es leuchten wie eine riesige elektrische Insektenfalle, die knistert und prasselt.
»Komm mit nach hinten«, sagt er, während er skeptisch den Zwanziger nimmt.
SECHSUNDDREISSIG
Ihr Herren von Google, hört meine Klagerufe!
Der Computer ist ein Laptop und steht auf einem kleinen Beistelltisch neben einem
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