Blacklist - Blacklist - Blacklist
Ich versuchte, Bryant Vishnikov in der Leichenhalle aufzuspüren, aber er hatte einen freien Tag.
Als ich ihn zu Hause erreichte, fauchte er: «Wenn ich gewollt hätte, dass ich Tag und Nacht von lebenden Patienten angepiept werde, wäre ich nicht Pathologe geworden. Außerdem dachte ich, meine Privatnummer sei geheim.«
»Ach ja? Davon haben Sie nie etwas gesagt. Marc Whitbys Vater möchte, dass sein Sohn ein zweites Mal obduziert wird. Würden Sie das übernehmen?«
Er ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort. »Generell übernehme ich solche Fälle, und ich könnte es auch hier tun, aber das Cook County kann das nicht bezahlen, Vic. Und wissen Sie, wenn ich eine vollständige Autopsie mache und dabei nur herauskommt, dass der Mann Alkohol im Blut hatte und ertrunken ist, wird die Familie dieses Ergebnis womöglich nicht akzeptieren wollen.«
»Was würde das kosten?«
»Für die toxikologische Analyse plus Zeitpunkt und Ort würde sich das auf dreitausend belaufen.«
Ich hatte keine Ahnung, wie viel Geld die Whitbys zur Verfügung hatten, aber ich gab Vishnikov grünes Licht und fragte, wie wir die Leiche zu ihm befördern sollten.
»Es wäre hilfreich, wenn ein Dritter mit im Bunde wäre, ein Bestattungsunternehmer zum Beispiel, damit ich sie nicht direkt von Jerry Hastings anfordern und ihm damit auf die Zehen treten muss. Und, Vic«, fügte er hinzu, als ich schon auflegen wollte, »posaunen Sie das bitte nicht an die Presse heraus. Es könnte mir politisch ziemlich schaden, wenn es so aussähe, als wende ich mich öffentlich gegen die Gerichtsmedizin vom DuPage County.«
»Irgendjemand muss es aber erfahren«, wandte ich ein, »es sei denn, Sie wollen die Leiche aus deren Leichenhalle entführen und in Ihrem Keller untersuchen.«
Er lachte laut. »Sie sind unmöglich, Warshawski, das hört sich ja an, als sei ich ein perverser Leichendieb. Aber ich will trotzdem nicht, dass es an die große Glocke gehängt wird.«
»Verstanden, Houston«, sagte ich. »Ihr Hintern wird mit demselben diskreten lila Stoff verhängt werden, wie ihn unsere Regierung für die Statuen von Justitia benutzt.«
Er lachte noch mal und legte auf.
Während ich telefonierte, nahm Amy sich die Unterlagen vor. Sie schuf sich ein freies Plätzchen auf Mary Louises Schreibtisch, legte den Inhalt meines Larchmont-Ordners aus und studierte ihn.
»Sie sind gut«, sagte sie jetzt und blickte auf. »Sie werden erst dann unangenehm, wenn's nicht anders geht, oder? Was wollen Sie als Nächstes unternehmen? Soll ich bei Mrs. Whitby Händchen halten, während Sie die Verlegung von Marcs Leiche organisieren?«
»Nein. Ich möchte, dass Sie so viel wie möglich über Kylie Ballantine in Erfahrung bringen.«
Sie riss die Augen auf. »Wozu soll - oh. Sie glauben, dass Marc ihretwegen zu diesem Anwesen gefahren ist? Aber weshalb sollte er das getan haben?«
Ich verzog das Gesicht. »Genau weil ich das nicht weiß, gehen wir so vor. Ich habe nur wenige Ansatzpunkte, aber er hat seit Monaten ständig an sie gedacht, er wollte ein Buch über sie schreiben - und sämtliche Aufzeichnungen sind verschwunden.«
Ich kramte den Text über Ballantine, den Aretha Cummings mir am Vortag gegeben hatte, aus meinem Aktenkoffer und reichte ihn Amy. Ich hatte ihn vorm Schlafengehen noch gelesen und referierte ihr kurz die wichtigsten Punkte.
Kylie Ballantine war Tänzerin und Anthropologin gewesen. Sie war als klassische Balletttänzerin ausgebildet worden, später aber nach Afrika gegangen, wo sie in Französisch-Äquatorialafrika (dem heutigen Kamerun und Gabun, nahm ich an) die traditionellen Stammestänze erlernt hatte. Nach ihrer Rückkehr hatte sie das Ballet Noir gegründet - der Name war eine gezielte Anspielung auf Diaghilews Ballets Russes - und hatte in ihren Produktionen afrikanischen Tanz mit klassischem Ballett verbunden; auch Kostüme und Masken aus Afrika kamen dabei zum Einsatz. Mit der finanziellen Unterstützung des Negro Theater Project hatte sie ein anspruchsvolles Projekt namens Regeneration choreografiert, in dem gezeigt werden sollte, wie Afroamerikaner, die ihre eigenen Wurzeln entdeckten, zu Selbstachtung und einem anderen Bewusstsein fanden.
»Das würde ich gerne mal sehen«, sagte Amy Blount. »Aber wahrscheinlich gibt es keinen Film davon. Was hat sie gemacht, als das Theaterprojekt finanziell nicht mehr gefördert wurde?«
»Sie ist wieder nach Afrika gegangen, glaube ich.« Ich blätterte den Text durch. »Ich weiß,
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