Blackmail: Thriller (German Edition)
egal! Wir wollen es nicht malwissen. Wir wollen nur eines: berechtigten Zweifel. Das ist von jetzt an Ihr Mantra, Penn. Ich möchte, dass Sie es selbst im Schlaf noch sagen. Berechtigte Zweifel. Berechtigte Zweifel. Sagen Sie es, Mann! Es ist wie: Zeig mir das Geld!« Quentin grinst mich an. »Los doch … berechtigte Zweifel.«
Ich wünschte, er hätte recht, doch insgeheim glaube ich nicht an diese Strategie.
Er legt mir die Hand auf die Schulter. »Es liegt in der menschlichen Natur, immer die Wahrheit wissen zu wollen, Penn. Doch was ist, wenn die Wahrheit so aussieht, dass Ihr bester Freund das Mädchen in einem Anfall von eifersüchtiger Raserei anal vergewaltigt und anschließend erwürgt hat?«
Quentins offener Ton verrät mir, dass er diese Möglichkeit durchaus in Betracht zieht. Ich weiß, was er damit versuchen will, doch ich kann den Glauben an Drew nicht so einfach aufgeben. Wenn ich das tue, gebe ich den Glauben an mich selbst auf. »Ich glaube nicht, dass es so gewesen ist.«
»Aber Sie wissen es nicht, Penn. Und zumindest bis zum Ende dieser Verhandlung möchte ich, dass es auch so bleibt. Weil Sie weder mir noch Drew Elliott weiterhin helfen können, wenn Sie die Wahrheit wissen. Und ich brauche Ihre Hilfe, Mann. Vergessen Sie nicht, Sie sind nur meine Infanterie, nicht der General.«
»Verstanden.«
»Das hoffe ich sehr, Penn. Das hoffe ich sehr.«
27
D ie Cemetery Road zieht sich durch das alte schwarze Viertel der Stadt, vorbei am Little Theater und hinauf zu der sechzig Meter hohen Klippe, die sich im Norden der Stadt am Mississippi entlang erstreckt. Es ist eine schmale Straße, zurRechten begrenzt von einer Steinmauer und zur Linken von einem Kudzu-Dickicht, das die Klippe von oben bis unten überwuchert. Als ich das zweite schmiedeeiserne Gitter in der Friedhofsmauer passiere, wird mir bewusst, dass mein Plan, die Trauergäste bei Kates Beerdigung zu fotografieren, so nicht durchführbar ist. Die Besucherzahl bei Begräbnissen ist normalerweise viel geringer als bei den vorangehenden Trauergottesdiensten, doch diesmal drängen sich mehr als hundert Leute um das verblasste grüne Zelt über Kates offenem Grab.
Ich fahre am dritten Tor in der Mauer vorbei, passiere eine Reihe von Hütten zur Linken und biege dann durch das vierte Tor in den Friedhof ein. Von hier aus führt der Weg auf der Rückseite des Jewish Hill hinauf zum höchsten Punkt des Friedhofs, wo die sterblichen Überreste der ersten jüdischen Siedler von Natchez ruhen und von wo aus man den besten Blick auf den Mississippi im gesamten Staat hat. Ich nehme meine Kamera und gehe an den Grabsteinen der Familien Rothstein und Schwarz vorbei, um hinter einer Mauer auf dem Grab der Abrams in Position zu gehen. Von hier aus kann ich den gesamten vorderen Teil des gut fünfunddreißig Hektar großen Friedhofsgeländes überblicken.
Dieses Gelände wurde 1832 kirchlich geweiht, doch einige der Särge wurden von einem noch älteren Friedhof hierher geschafft, auf dem bereits Anfang des achtzehnten Jahrhunderts Siedler begraben wurden. Kate Townsends letzte Ruhestätte liegt in einem Bereich nahe der Klippe, der sich Zurhellen Addition nennt. Diese Erweiterung befindet sich zwischen dem steilen Anstieg des Jewish Hill und der langen Reihe majestätischer Eichen, welche den nächsten Abschnitt von Gräbern im Süden begrenzen. Etwa vierzig Meter vor Kates Grab, nahe der Steinmauer, die den Friedhof umsäumt, steht das berühmteste Denkmal in dieser Stadt der Toten: Der Drehengel. Errichtet 1932 zum Gedenken an fünf Mädchen, die während eines Feuers starben, ist diese Marmorstatue im Lauf der Jahre zu einem Objekt der Legenden und Rituale in Natchez geworden. Derlebensgroße Engel steht in einer gelassen entschlossenen Haltung auf seinem Sockel und schreibt Namen in das Buch des Lebens. Er hat ein Gesicht von madonnenhafter Klarheit, doch seine Muskulatur und die mächtigen Flügel lassen ihn beinahe maskulin erscheinen. Wenn man die Cemetery Road entlangfährt, scheint der Engel einen direkt anzusehen. Sobald man das Denkmal passiert hat und nach hinten blickt, sieht einen der Engel immer noch an. Daher sein Name: der sich drehende Engel. Nachts ist der Eindruck meiner Meinung nach noch viel stärker, und er wird hervorgerufen durch die tanzenden Schatten der Scheinwerfer. Bei Tage und aus der Nähe kann man sehen, dass der Engel dem Fluss und der Klippe eigentlich den Rücken zuwendet. Die Legende ist inzwischen so berühmt,
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