Blackmail: Thriller (German Edition)
huscht Traurigkeit über ihre Gesichtszüge; dann blinzelt sie und wendet sich wieder dem Computerschirm zu.
»Vergiss, was ich gesagt habe«, sagt sie und klickt mit der Maus auf ein WordPerfect-Dokument. »Es war dumm von mir.«
»Nein, es war nicht dumm von dir. Du warst nur …« Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe sie verloren. Die Wände sind nach oben geglitten, und nichts wird sie in nächster Zeit wieder herunterbringen.
»Sieh dir das an«, sagt sie. »Sieht aus wie eine E-Mail von dem Typ, von dem du geredet hast.«
»Welchem Typ?«
»Diesem Drogenhändler. Cyrus.«
Der Name ist wie eine kalte Dusche. Ich bin wieder in der Gegenwart zurück. Mia hat recht. Der Brief ist drei Absätze lang, und so unglaublich es scheint, er ist unterzeichnet mit: Peace+, Cyrus. Ich lese ihn laut vor, während ich versuche, mir ein Bild von Cyrus White zu machen anhand der Art, wie seine Worte sich in meinem Mund anfühlen.
Hi Kate, ich hab oft an dich gedacht. Ich will dich nicht erschrecken oder so, aber ich glaube nicht, dass du zu der Sorte Mädchen gehörst, die sich leicht abschrecken lassen. Ich hab dieses Bild angesehen, das Bild, das Jaderious von dir gemacht hat. Du siehst echt stark aus auf diesem Bild. Wie ein Filmstar in einem Magazin, wenn sie fotografiert werden, wie sie aus einem Kino kommen oder so. Ich meine es ernst. Ich hab ein Mädchen auf dem Titelblatt von »US« gesehen, das mich total an dich erinnert. Ich hab in diesem Magazin geblättert, um herauszufinden, wer sie ist. Ihr Name ist Katie Holmes. Ihr habt sogar den gleichen Namen. Ich hab mir zwei von ihren Filmen ausgeliehen. Du bist genau wie sie, nur mit blonden Haaren und blauen Augen und ernster. Nicht albern oder launisch oder so.
Ich hoffe, es tut dir gut, was ich dir gegeben habe. Ich kann zwar nicht verstehen, dass du so was machst, aber ich kenn dich ja noch gar nicht. Jeder trägt irgendeinen Schmerz mit sich rum, und ich bin sicher, du hast deinen Anteil abgekriegt. Du hast mir erzählt, dass dein alter Herr nie da gewesen ist, und das kenne ich, glaub mir. Ich weiß nicht mal, wer mein Vater ist. Der Typ, von dem ich gedacht hab, er wär mein Alter, war nur irgend so ein Typ, weißt du? Der Freund meiner Mama. Aber das ist lange her.
Ich wollte dir nur sagen, dass ich an dich denke. Dass ich sehe, dass du anders bist als all die anderen. Ich weiß, dass dudas selbst weißt, aber ich möchte dir sagen, dass ich es auch weiß. Ich weiß es deswegen, weil ich genauso bin wie du. Klar, ich lebe in einer anderen Welt. Aber ich wusste schon immer, dass ich anders war. Deswegen bin ich das geworden, was ich heute bin. Als die Fabriken in der Gegend geschlossen wurden, haben viele Jungs einfach aufgegeben. Einige haben beschissene Jobs angenommen, andere sitzen nur zu Hause mit dem Kopf in der Flasche rum oder rauchen Gras. Ich schätze, das ist okay für sie. Aber nicht für mich. Ich bin um meine Arbeit betrogen worden, und ich zahle es den Bastarden heim, die dafür verantwortlich sind. Ich lass mich nicht von denen unterkriegen. Ich verdiene genug Geld, um irgendwann alles zu tun, wozu ich Lust habe. Ich hab große Pläne, weißt du? Ich weiß, dass du auch große Pläne hast. Wenn du je Lust hast zu reden, wie du gesagt hast, dann schreib mir einfach eine E-Mail oder ruf mich an, was auch immer. Ich bin offen für dich, weißt du? Das ist alles, was ich dir sagen wollte. Bleib cool. Peace+, Cyrus.
»Sehen wir nach, von was für einem Bild er redet«, schlägt Mia vor.
»Such nach den Initialen von Cyrus im Dateinamen«, denke ich laut nach. »Oder vielleicht ›CK‹.«
»Schon passiert«, sagt Mia. »Da ist es.«
Sie klickt auf eine neue Jpeg-Datei, und ein neues Foto füllt den Schirm. Ein großer Mann mit mürrischem Gesicht steht mit dem Arm um Kate vor einer Mauer. Er quetscht sie förmlich an sich. Kate lächelt in die Kamera, aber es ist das Lächeln von jemandem, der versucht, das Beste aus einer unangenehmen Situation zu machen. Sie sieht aus wie ein Mädchen, das von einem Zöllner belästigt wird, während es versucht, aus einem feindlichen Land zu kommen: Sie muss gute Miene zum bösen Spiel machen, doch sie tut es nicht gern. Andererseits ist es vielleicht auch nur ein Vorurteil, das meinen Eindruck von diesem Bild verfälscht.
»Sieht sie aus, als wäre sie glücklich?«, frage ich Mia.
Mia schüttelt den Kopf. »Das ist eins von ihren falschen Lächeln. Jeder hat eins, sicher. Aber Kate hat
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