Blackmail: Thriller (German Edition)
gelingt es mir, Blue von mir herunterzurollen und nach rechts zu blicken.
Cyrus windet sich am Boden. Er schreit unverständliche Worte und kratzt sich in den Augen. Sein gesamter Körper ist übersät mit blutenden Wunden. Schrapnells, wird mir klar. Splitter von den Bleiplatten in den Batterien. Sie sind im Schrank explodiert und haben alles durchschlagen, was ihnen in den Weg kam.
Das ist es auch, was Blue getötet hat. Seine Schädeldecke ist verschwunden, als hätte jemand seinen Kopf nur halb unter eine Guillotine gelegt. Als ich den Rest seines Körpers ansehen will, stelle ich fest, dass meine eigenen Beine ebenfalls aus mehreren Wunden bluten. Ich würge und will mich übergeben, doch mein Magen ist leer.
Das schrille Läuten eines Feueralarms übertönt Cyrus’ Schreie. Ich kann nirgendwo Feuer sehen, doch die Explosion hat offensichtlich irgendetwas ausgelöst. Der Wachmann im Pförtnerhaus wird herkommen, um die Ursache zu untersuchen. Ich weiß nicht, wie schlimm meine Beine verletzt sind,deswegen stemme ich mich zuerst auf die Hände und kämpfe mich dann irgendwie hoch. Ich schwanke, und meine Beine zittern schlimm, doch sie tragen mein Gewicht.
Die Labortür steht offen, doch es ist möglicherweise nicht die einzige Tür zwischen mir und der Freiheit. Ich versuche, nicht auf Cyrus’ Gesicht zu starren, als ich mich bücke und die Schlüssel von dem Ring an seiner Gürtelschlaufe nehme. Sein zuckender Torso ist ein fast unerträglicher Anblick. Die Säure aus den Batterien hat die Baumwolle seines T-Shirts zerfressen und verätzt nun seine Haut. Cyrus packt mein Handgelenk, als ich die Schlüssel an mich nehmen will, doch ich reiße mich los und stolpere zur Tür.
Seine Schreie verfolgen mich durch den gefliesten Korridor draußen. Ich kenne mich nicht aus in diesem Teil der Anlage. Ich habe keine Ahnung, in welche Richtung ich gehen muss, deshalb bleibe ich am anderen Ende des Gangs vor der Tür stehen und versuche mich zu erinnern.
»Hey!«, ruft jemand. »Cyrus? Blue? Was ist denn bei euch passiert?«
Schwankend trete ich neben die Tür und drücke mich mit dem Rücken flach an die Wand. Die Tür fliegt auf, und ein Schwarzer in einer blauen Uniform kommt hindurch. Er rennt weiter in Richtung Labor. Sobald er es betritt, schlüpfe ich durch die gleiche Tür nach draußen, die er eben aufgestoßen hat.
Ich finde mich in einer Halle wieder. Die Decke ist gut zehn Meter über mir. Das hier war ein Teil der Fertigungsstraße. Der Feueralarm ist lauter hier drin. Ich sehe Licht, eine Straßenlaterne, die durch ein Fenster hoch oben schimmert. Unten an der Wand befindet sich eine weitere Tür, und sie steht offen. Ich setze mich in Bewegung, stolpere die letzten Meter. Meine Hosenbeine sind durchtränkt mit Blut, und ich ziehe eine blutige Spur hinter mir her.
Als ich durch die Tür bin, übertönen neue Sirenen das schrille Läuten des Feueralarms. Ich falle auf die Knie, dochich halte nicht an. Ich muss raus aus dieser Fabrik. Der Wachmann kann jeden Augenblick zurückkehren und mich über den Haufen schießen, um sich selbst zu schützen, und anschließend meinen Tod Cyrus und Blue in die Schuhe schieben.
Ich kann jetzt den Fluss riechen – er liegt nur fünfhundert Meter westlich von hier – und Kudzu, den grünsten Duft, den es auf der Welt gibt. Während ich auf Knien weiter vorwärtsrutsche, blitzen rote Lichter wie verrückt auf den Wänden der Gebäude rings um mich. Ich zwinge mich aufzustehen und halte die Hände hoch erhoben. Ein Feuerlöschzug schießt auf kreischenden Reifen um die Ecke einer riesigen Halle zu meiner Linken und jagt auf mich zu. Ich wedele verzweifelt mit den Armen, doch ich besitze nicht mehr genügend Kraft, um das Gleichgewicht zu halten, und schlage der Länge nach hin.
Ich höre eine Tür knallen, dann nichts mehr.
37
F ünf Stunden, nachdem die Feuerwehr mich gerettet hatte – vielleicht zwanzig Stunden, nachdem Blue mir zum letzten Mal eine Injektion verabreicht hatte –, lag ich auf einer Intensivstation im Bett, und kalter Schweiß brach mir aus allen Poren.
Vierundzwanzig Stunden nach der letzten Injektion verkrampfte sich meine Rumpfmuskulatur und zwang mich in eine Fetalhaltung. Nach dreißig Stunden schrie jede einzelne Zelle in meinem Körper nach Heroin. Mein Vater musste einen Krankenpfleger nach Jackson schicken, um Methadon zu besorgen – es gab in ganz Natchez keines. Ein Suchtexperte, den er telefonisch konsultierte, schrieb meine
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