Blackmail: Thriller (German Edition)
die einzige Möglichkeit für Dr. Elliott, seinen makellosen Ruf zu wahren.«
»Ich werde Dr. Elliott unter gar keinen Umständen zum St Catherine’s Hospital lassen, damit das Labor dort eine Probe von ihm nimmt. Der Mann gehört zum dortigen Ärztestab, verdammt! Die Neuigkeit würde binnen kürzester Zeit die Runde in diesem Gebäude machen! Bis es dunkel wird, wüsste es jeder in der Stadt!«
Shad lehnt sich zurück. »Das tut mir leid«, sagt er mit kalter Stimme. »Weil ich mich gezwungen sehe, über andere Alternativen nachzudenken, falls Dr. Elliott sich weigert.«
»Als da wären?«
»Nun, ich sitze jetzt eine ganze Weile hier und denke darüber nach. Zum einen haben wir die erste Woche im Monat, was bedeutet, dass die Grand Jury zusammengetreten ist. Wahrscheinlich wird sie noch weitere zwei Tage versammelt sein. Sie wird sich möglicherweise sehr für diesen Fall interessieren. Für den anonymen Anruf und die eigenartigen Zufälle – beispielsweise, dass Dr. Elliott flussaufwärts der Stelle wohnt, wo der Leichnam des Mädchens gefunden wurde. Die Grand Jury könnte möglicherweise völlig eigenmächtig beschließen, dass sie eine dna-Probe von unserem guten Doktor haben will.«
Mein Gott. »Das ist unethisch, Shad. Sie pervertieren Sinn und Zweck der Grand Jury. Sie ist nicht dazu da, in Verbrechen zu ermitteln. Und zu Ihrer Information, wenigstens tausend Leute wohnen flussaufwärts von dieser Stelle, wenn nicht mehr.«
Shads Augen leuchten vor Zuversicht. »Nur so ein Gedanke, Herr Anwalt. Doch die Emotionen schlagen hohe Wellen in der Stadt. Die Leute wollen, dass ein brutaler Killer wie dieser gefasst und bestraft wird. Das ist mein einziges Interesse an diesem Fall. Die Tatsache, dass Ihr Mandant weiß und wohlhabend ist, wird mich nicht davon abhalten, dem Tod dieses armen Mädchens auf den Grund zu gehen. Diese Art von fehlgeleiteter Justiz hat an dem Tag aufgehört, an dem ich dieses Büro übernommen habe.«
Wie ein Schachspieler, der eine plötzliche Eingebung hat, sehe ich unvermittelt ein Dutzend verschiedener möglicher Züge vor mir. Und was ich sehe, sendet einen Schwall Adrenalin durch meinen Kreislauf. Diese Unterhaltung dreht sich überhaupt nicht um Mord – sie dreht sich um Politik. Das hätte mir bewusst sein müssen, noch bevor ich durch diese Tür getreten bin.
Die Bürgermeisterwahl vor fünf Jahren war die am heißesten umkämpfte in der Geschichte von Natchez. Shad hat gegen Riley Warren verloren, einen Weißen mit extravagantem Stil, der damals bereits zwei Perioden im Amt war und eine Neigung zuHinterzimmerabsprachen besaß, die ihm den Spitznamen Wiley eingebracht hatten. Während einige dieser Absprachen der Stadt zum Vorteil gereichten, belasteten andere die Gemeinde mit erdrückenden Schulden, und zum Ende der Amtsperiode – vergangenen Sommer – vermuteten selbst Wileys Anhänger, dass er sich mehr selbst bereichert hatte als die Stadt, der zu dienen er gewählt worden war. Shad hätte Warren diesmal sicher besiegt, doch er hatte erst die erste Hälfte seiner ersten Amtszeit als Bezirksstaatsanwalt hinter sich. Es hätte nicht gut ausgesehen, wenn er nach dem Versprechen, die »rassische Ungleichheit« vor den Gerichten von Natchez zurechtzurücken, so früh zurückgetreten wäre.
Trotz nachlassender Unterstützung kandidierte Wiley ein drittes Mal für das Bürgermeisteramt. Seine Gegner bedrängten einheimische Würdenträger auf der Suche nach einem Gegenkandidaten – einschließlich meiner Person. Wie die meisten Befragten weigerte ich mich, in den Kampf einzugreifen. Letzten Endes führten Warrens Gegner eine relativ trübe Leuchte namens Doug Jones gegen ihre Nemesis ins Feld, und trotz Jones’ absolutem Mangel an Persönlichkeit oder Visionen schlug er Warren mit Leichtigkeit bei den Vorwahlen. Der einzige schwarze Kandidat, der sich zur Wahl stellte, war ein Beerdigungsunternehmer mit bunter Vergangenheit, ein Mann, der sich in seiner eigenen schwarzen Gemeinde Feinde gemacht hatte. Die schwarze Wahlbeteiligung war demzufolge gering, und Doug Jones gewann mit einem satten Vorsprung von sechzehn Prozent. Der neue Honorable Mayor Doug Jones nahm das Amt an und wurde prompt unsichtbar. Wenngleich er keine kühnen neuen Initiativen für die Stadt ins Leben rief, so beging er doch wenigstens keine tragischen Fehler. Dies gelang ihm dadurch, dass er so gut wie überhaupt nichts tat. Bis zu jenem Tag kurz nach Weihnachten, als er endlich etwas unternahm:
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