Blackmail: Thriller (German Edition)
schien alles ganz klar zu sein: Zahl den kurzfristigen Preis für den langfristigen Gewinn. Doch dieses Büro, so bescheiden es wirken mag, erweckt in mir das gleiche Gefühl wie damals, als ich in Houston für den Bezirksstaatsanwalt gearbeitet habe. In diesem Raum werden unwiderrufliche Entscheidungen getroffen, Entscheidungen darüber, wer bestraft wird und wer nicht. Wer wird Jahrzehnte im Gefängnis verbringen? Wer wird durch die Hand des Staates sterben? Für einen gewöhnlichen Ankläger mag Drew Elliott ein pikantes Opfer sein, doch für einen Mann wie Shad Johnson – einen Mann, der davon träumt, Gouverneur zu werden und mehr – ist Drew ein gefundenes Fressen.
Es besteht kein Zweifel daran, dass Drew vor einer zukünftigen Jury besser dastehen würde, wenn er jetzt die Wahrheit sagt. Doch welche anderen Konsequenzen mögen sich daraus ergeben? Natchez ist eine Kleinstadt, und wenn kleinstädtische Cops erst mal einen wahrscheinlichen Täter in den Fingern haben, suchen sie nicht mehr allzu angestrengt nach einem anderen. Um bei der Wahrheit zu bleiben – Cops in größeren Städten sind nicht viel anders. Und das Geständnis der Affäre mit Kate würde Drew augenblicklich eine Anklage wegen sexueller Tätlichkeit einbringen, die Shad dazu verwenden könnte, ihn ins Gefängnis zu schicken, sollte er Lust dazu verspüren.Nein, es ist besser, wenn ich die Karten fürs Erste an meine Brust gedrückt halte.
»Das ist ein viel hübscherer Schreibtisch als der des letzten Bezirksstaatsanwalts.« Ich spiele auf Zeit, während ich auf dem Stuhl Shad gegenüber Platz nehme.
Der Bezirksstaatsanwalt kann nicht anders, als zu prahlen. Es ist seine Natur. »Ich habe ihn aus dem Lager des alten Natchez Museum«, sagt er und streicht über das fein gemaserte Holz. »Er stammt vom Speicher eines der Vor-Bürgerkriegs-Anwesen. Longwood, glaube ich. Ist das nicht eine hübsche Ironie? Ich arbeite am Schreibtisch eines Baumwollpflanzers. Ich habe ihn schätzen lassen. Er ist sechzig Riesen wert.«
Ich mustere Shad ausdruckslos. »Ich hoffe, Sie gehören nicht zu den Leuten, die den Preis von allem und den Wert von gar nichts kennen.«
Shad macht schmale Augen. »Was tun Sie hier, Penn? Wo ist Dr. Elliott?«
»Er hatte einen Notfall in seiner Praxis. Er musste dort bleiben und sich um den Patienten kümmern.«
»Ha! Ihr Mandant hat Schiss. Sein Schwanz hat ihn in einen Mordfall verwickelt, und jetzt ist er außer sich vor Angst.«
Shad hat offensichtlich mehr als nur den anonymen Anruf in der Tasche. »Wie kommen Sie auf die Idee?«
»Hat Elliott Ihnen von dem Anruf erzählt, den ich heute Morgen erhalten habe?«
»Er hat gesagt, Sie hätten einen anonymen Anrufer erwähnt, der Ihnen erzählt hätte, Dr. Elliott hätte ein intimes Verhältnis mit Kate Townsend gehabt.«
»Das ist richtig. Und der gute Doktor Elliott hat es nicht abgestritten.«
»Hat er es bestätigt?«
»Deshalb habe ich Dr. Elliott herbestellt. Er sollte diese Geschichte entweder bestätigen oder abstreiten. Und jetzt hat er Sie an seiner Stelle geschickt. Die Kanone von Strafverteidiger. Ich wusste gar nicht, dass Sie noch praktizieren.«
»Ich habe auch nicht praktiziert, als ich den Del-Payton-Fall untersucht habe.«
Shad sieht mich an, als hätte er soeben in eine saure Zitrone gebissen. Meine Jagd auf die Mörder von Del Payton, nachdem Shad sich gesträubt hatte, den Fall wieder zu eröffnen, hatte ihn gerade genügend Stimmen in der schwarzen Gemeinde gekostet, um die Bürgermeisterwahl zu verlieren. Doch das sind Nachrichten von gestern. Ich muss herausfinden, was er jetzt vorhat, bevor ich selbst Stellung beziehe.
»Shad, reden wir …«
»Stopp!«, unterbricht er mich und richtet den Zeigefinger auf mich. »Sie sind hier, weil Sie etwas wollen.«
Er hat recht. »Ich würde gerne erfahren, was die Autopsie von Kate Townsend ergeben hat.«
Shad studiert mich sekundenlang. »Und Sie glauben, ich verrate es Ihnen?«
»Wenn Sie weiterhin meinen Mandanten verfolgen, bekomme ich die Ergebnisse auf die eine oder andere Weise. Warum versuchen wir es nicht zur Abwechslung mit Kooperation?«
»Sie haben bis jetzt noch nie mit mir kooperiert«, sagt er und nimmt ein paar Blätter Faxpapier von seinem Schreibtisch. Er blättert zur letzten Seite. »Aber ich will großzügig sein. Was möchten Sie wissen?«
»Den Todeszeitpunkt.«
Shad schüttelt den Kopf. »Das lassen wir für den Moment.«
»Die Todesursache?«
»Strangulation.
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