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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Mann, einer, den man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Er fordert eine Untersuchung, eine Art von -«
    »Hexenjagd.«
    »Sie machen es mir nicht gerade leicht, junger Mann.«
    »Ich bin weder Towle noch irgend jemand anders verantwortlich. Ich bin im Ruhestand, Henry, oder sollten Sie das vergessen haben? Sehen Sie nach, wann ich zuletzt mein Gehalt bekommen habe.«
    »Das ist nicht der Punkt, auf den es-«
    »Der Punkt ist, Henry, wenn Towle etwas gegen mich vorzubringen hat, dann soll er das tun, und zwar vor der Ärztekammer des Staates Kalifornien. Ich bin jederzeit bereit, mit ihm die Plätze zu tauschen und ihn selbst auf die Anklagebank zu bringen. Und ich garantiere Ihnen, das wird eine erzieherische Erfahrung werden - für alle Beteiligten.« Er lächelte umwölkt.
    »Ich hab’ Sie immer gemocht, Alex, und ich sage Ihnen das alles, um Sie zu warnen.«
    »Mich zu warnen - wovor denn?«
    »Will Towles Familie hat diesem Krankenhaus Hunderttausende gespendet. Es ist gut möglich, daß die Towles den Stuhl bezahlt haben, auf dem Sie gerade sitzen.« Ich stand auf.
    »Danke für die Warnung.«
    Seine kleinen Augen waren plötzlich hart geworden. Die Zigarre wippte zwischen seinen Fingern und übersäte die Schreibtischplatte mit Tabakskrümeln. Er schaute hinunter auf seinen zerstörten Schnuller, und ich dachte, gleich bricht er in Tränen aus. Auf der Couch eines Analytikers wäre er eine interessante Figur gewesen.
    »Sie sind nicht so unabhängig, wie Sie vielleicht glauben. Es gibt immerhin die Frage ihrer Hausprivilegien.«
    »Wollen Sie mir damit sagen, daß ich Gefahr laufe, meine Approbation an dieser Anstalt zu verlieren, weil sich Will Towle über mich beschwert hat?«
    »Ich will damit sagen: Machen Sie keine Wellen. Rufen Sie Will an und sehen Sie zu, daß Sie mit ihm klarkommen. Eigentlich haben Sie beide doch viel Gemeinsames. Er ist ein Experte in-«
    »Verhaltenspädiatrie, ja, ich weiß. Henry, ich habe dieses Lied schon einmal gehört, und wir spielen nun mal nicht in derselben Band.«
    »Vergessen Sie nicht, Alex, der Status der Psychologen beim Ärztestab in diesem Haus ist seit jeher nicht der beste gewesen.«
    Mir fiel wieder eine frühere Ansprache von ihm ein. Etwas über die Bedeutung des menschlichen Faktors und seine Schnittstelle bei der Verbindung mit dem Heldentum der modernen Medizin. Am liebsten hätte ich es ihm ins Gesicht geschleudert. Dann aber schaute ich ihn an und kam zu der Erkenntnis, daß ihm nicht zu helfen war. »Ist das alles?«
    Er hatte nichts darauf zu sagen. Leute seines Typs verlieren nicht selten die Sprache, wenn die Konversation über Klischees, Gemeinsamkeiten oder Drohungen hinausgeht. »Guten Tag, Doktor Delaware«, sagte er. Ich ging schweigend hinaus und schloß die Tür hinter mir.
     
    Ich war unten in der Halle, wo jetzt keine Patienten mehr warteten; statt dessen stand eine Gruppe von Besuchern herum; offensichtlich Ladys, die sich für den freiwilligen Dienst interessierten. Ladys, denen altes Geld und gute Manieren auf die hübschen und gepflegten Stirnen geschrieben waren- großgewordene Pensionatsmädchen. Sie hörten aufmerksam zu, wie ein Lakai von der Verwaltung ihnen eine vorfabrizierte Rede darüber hielt, daß das Krankenhaus in vorderster Front für den medizinischen und humanitären Fortschritt in der Kinderheilkunde kämpfte, nickten dazu und versuchten, ihre Beklommenheit nicht sehen zu lassen. Der Lakai gab den Gemeinplatz von sich, daß die Kinder der Reichtum unserer Zukunft seien. Mir kam dabei ein Bild vor Augen, das zeigte, wie diese jungen Knochen zermahlen wurden, Mahlgut für die Mühlen der Reichen. Ich drehte mich um und ging wieder zu den Aufzügen. Im dritten Stock des Krankenhauses waren die Verwaltungsbüros, ein T-förmiger Trakt, mit dunklem Holz getäfelt, die Teppiche von der Farbe und Konsistenz dunkelgrünen Mooses. Das Büro des medizinischen Personals war ganz unten am Stiel des T, in einer Flucht von Räumen, die durch ihre Glaswände Ausblick auf die Hügel von Hollywood boten. Ich hatte nicht damit gerechnet, gerade diese elegante Blondine hinter dem Schreibtisch zu sehen, dennoch zupfte ich meine Krawatte zurecht und ging hinein. Sie blickte hoch, überlegte, ob sie mich einfach ignorieren sollte, entschied sich dann aber anders und schenkte mir ein königliches Lächeln. Sie streckte mir die Hand entgegen mit der herablassenden Geste von jemandem, der lange genug in seinem Job arbeitet, um sich

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