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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Gebäudes eingelassen wurde. Der sechzigjährige, rotnasige Wachmann nickte mir zu, während ich an ihm vorbei ging: »Morgen, Doktor.«
    Ich fuhr mit dem Lift ins Untergeschoß, in Gesellschaft eines mutlos dreinschauenden, schwarzen Paars mit ihrem Sohn, einem verhutzelten, grauhäutigen Neunjährigen im Rollstuhl. Im Zwischenstock kam eine Labortechnikerin dazu, ein fettes Mädchen mit einem Drahtkorb voll Spritzen, Nadeln, Gummischläuchen und Glaszylindern, welche den rubinroten Sirup des Lebens enthielten. Die Eltern des Jungen im Rollstuhl schauten sehnsüchtig auf das Blut; das Kind drehte den Kopf zur Wand.
    Die Fahrt endete mit sanftem Rumpeln. Wir wurden in einen schmalen, gelbgestrichenen Korridor entlassen. Die anderen Passagiere wandten sich nach rechts, in Richtung auf die Labors. Ich ging den entgegengesetzten Weg, kam zu einer Tür mit der Aufschrift »Medizinisches Archivs öffnete sie und trat ein.
    Nichts hatte sich verändert in den fünf Monaten, seit ich nicht mehr im Krankenhaus beschäftigt war. Ich mußte mich seitlich durch den schmalen Gang zwängen, der zwischen den vom Boden bis zur Decke gestapelten Patientenakten freigeblieben war. Hier gab es keinen Computer, keinen Versuch, mit modernem High Tech die Zehntausende eselsohriger Aktenordner in ein zusammenhängendes und gespeichertes System einzubauen. Krankenhäuser sind konservative Einrichtungen, und das Western Pediatric war vielleicht das schwerfälligste von allen und begrüßte den Fortschritt wie der Hund die Räude.
    Am Ende des Durchgangs war eine schmucklose, graue Wand. Direkt davor saß ein schläfrig dreinschauendes Filipino-Mädchen, das in einem Schönheitsmagazin las. »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ja. Ich bin Doktor Delaware. Ich möchte die Unterlagen von einem meiner Patienten.«
    »Sie hätten Ihr Sekretariat anrufen lassen können, Doktor. Wir schicken die Akten dann hin.« Klar. In zwei Wochen.
    »Das ist sehr nett, aber ich muß jetzt sofort nachsehen, und außerdem ist meine Sekretärin momentan nicht im Dienst.«
    »Wie lautet der Name des Patienten?«
    »Adams. Brian Adams.« Die einzelnen Reihen waren alphabetisch geordnet. Ich hatte mir daher einen Namen ausgesucht, der das Filipino-Mädchen zum entgegengesetzten Ende der Abteilung A-K lockte.
    »Wenn Sie diesen Antrag ausfüllen, bringe ich Ihnen gleich die Akte.
    Ich füllte den Antrag aus und fälschte ihn mit Leichtigkeit. Sie machte sich nicht die Mühe, den Zettel anzusehen, sondern warf ihn in einen Sammelkorb aus Metall. Als sie weg war, ging ich zu der Seite des Raums, wo die Unterlagen von L bis Z gestapelt waren, suchte unter dem Buchstaben N und fand auch bald, was ich haben wollte. Ich steckte die Akte in meine Tasche und kehrte zurück. Sie kam Minuten später wieder.
    »Ich habe drei mit dem Namen Brian Adams hier, Doktor. Welcher ist es?«
    Ich schaute die drei Akten durch und suchte mir einen aus. »Dieser.«
    »Wenn Sie das hier unterschreiben« - sie streckte mir ein zweites Formular hin-, »können Sie die Unterlagen für vierundzwanzig Stunden behalten.«
    »Das ist nicht nötig. Ich sehe sie gleich hier durch.« Jetzt gab ich mir eine gelehrte Miene, blätterte in den Unterlagen zur medizinischen Geschichte von Brian Adams, einem Elfjährigen, der vor fünf Jahren wegen einer Routine-Mandeloperatin im Krankenhaus gewesen war, schnalzte mit der Zunge, schüttelte den Kopf, machte ein paar sinnlose Notizen und gab ihr zuletzt den Ordner zurück. »Danke. Sie waren sehr hilfreich.«
    Sie gab keine Antwort, war bereits zurückgekehrt in die Welt der kosmetischen Tarnung und Kleidung, wie sie für die Sado-Intellektuellen entworfen wurde.
     
    Ich fand einen leeren Besprechungsraum am anderen Ende des Korridors neben der Leichenhalle, sperrte von innen ab und setzte mich an den Tisch, um die Chronik der letzten Stunden des Cary Nemeth zu studieren.
    Der Junge hatte diese Stunden - genau gesagt, waren es zweiundzwanzig- auf der Intensivstation im Western Pediatric verbracht und war keine Sekunde davon bei Bewußtsein gewesen. Aus medizinischer Sicht ein aussichtsloser Fall. Der behandelnde Arzt hatte seine Aufzeichnungen nüchtern und objektiv gehalten, Überschrift ›Auto gegen Fußgänger‹, mit Worten aus dem wunderlichen Lexikon der Medizin, die eine Tragödie im Ton einer Sportberichterstattung schildern. Er war von einem Sanitätswagen ins Krankenhaus gebracht worden, zerschlagen, zerschmettert, die Schädeldecke mehrmals gebrochen,

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