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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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war es ein unbeholfenes Taumeln und Stolpern. Sie tat mir leid, aber ich achtete darauf, daß man es nicht merkte. Immerhin war sie Mitte dreißig, und in diesem Alter haben Frauen wie sie gelernt, ihr Selbstvertrauen zu fördern. Auf diese Weise wurde man besser mit der Einsamkeit fertig.
    »Hallo - Sie müssen Alex sein.«
    »Der bin ich. Und ich freue mich, sie kennenzulernen, Margaret.« Ihre Hand war dick und hart, mit rauher Haut - ob vom zu vielen Händeringen oder vom Waschen, konnte ich nicht sagen. »Bitte, setzen Sie sich.«
    Ich nahm einen Stuhl mit gerader Lehne und saß wie erwartet sehr unbequem.
    »Kaffee?«
    »Ja, bitte. Mit Sahne.«
    Hinter ihrem Schreibtisch war ein Tisch mit einer Wärmeplatte. Sie schenkte Kaffee in einen Keramikbecher und reichte ihn mir.
    »Haben Sie sich schon entschieden, wo Sie Mittagessen werden?«
    Die Aussicht, ihr zusätzlich eine Stunde bei Tisch gegenübersitzen zu müssen, war alles andere als verlockend. Nicht ihre Einfachheit, nicht ihr humorloses Gesicht waren schuld daran. Aber sie sah so aus, als sei sie bereit, mir ihre Lebensgeschichte aufzutischen, und ich war nicht in der Stimmung, mir den Kopf mit nicht relevantem Material füllen zu lassen.
    Also sagte ich ihr ab.
    »Wie wär’s dann mit einem Imbiß?«
    Sie brachte ein Tablett mit Käse und Crackern zum Vorschein und schien sich in der Rolle der Gastgeberin gar nicht wohl zu fühlen. Ich fragte mich, warum sie sich ausgerechnet auf die Öffentlichkeitsarbeit geworfen hatte; Bibliothekarin schien mir ein viel geeigneterer Beruf für sie zu sein. Doch dann wurde mir klar, daß die Public Relations in Jedson wahrscheinlich mehr oder weniger Bibliotheksarbeit war, ein Schreibtisch voller Zeitungsausschnitte und Post und wenig persönliche Kontakte.
    »Danke.« Ich war hungrig, und der Käse schmeckte gut. »Also dann…« Sie schaute sich auf dem Schreibtisch um, fand eine Brille und setzte sie auf. Hinter dem Glas wirkten ihre Augen größer und auch irgendwie weicher. »Sie wollen also ein Gefühl für das Jedson College bekommen.«
    »Genau. Es geht mir um das, was das College von anderen unterscheidet.«
    »Jedson ist ein einzigartiger Ort. Ich selbst stamme aus Wisconsin, und ich habe in Madison studiert, zusammen mit vierzigtausend Studenten. Hier gibt es nur zweitausend, und jeder kennt jeden.«
    »Wie eine große Familie.« Ich nahm einen Block und einen Kugelschreiber heraus.
    »Ja.« Beim Wort ›Familie‹ schürzte sie die Lippen. »Das kann man sagen.« Sie blätterte in ein paar Papieren und begann vorzulesen:
    »Das Jedson College wurde achtzehnhundertachtundfünfzig von Josiah T. Jedson, einem schottischen Einwanderer, gegründet, der sein Vermögen mit Bergwerken und Eisenbahnen gemacht hatte. Erst drei Jahre später fand die Gründung der University of Washington statt; wir sind also die älteste Hochschule des Staates. Jedsons Ziel war es, eine Institution zu schaffen, wo traditionelle Werte neben einer Erziehung in den grundlegenden Wissenschaften und Künsten existieren konnten. Und bis zum heutigen Tag kommt der Großteil der Unterstützung dieser Hochschule aus einer jährlichen Ausschüttung des Jedson-Fonds, obwohl inzwischen auch andere Einkommensquellen Bedeutung erlangt haben.«
    »Ich habe gehört, daß das Unterrichtsgeld ziemlich hoch ist.«
    »Das Unterrichtsgeld«, sie zog die Stirn in Falten über den Begriff, »beträgt zwölftausend Dollar im Jahr, zuzüglich Unterbringung, Registrierung und verschiedenen kleineren Gebühren.«
    Ich pfiff leise durch die Zähne. »Gibt es auch Stipendien?«
    »Jährlich wird eine kleine Zahl von Stipendien für besonders verdienstvolle Studenten vergeben, aber es gibt kein weitergehendes Programm einer finanziellen Unterstützung.«
    »Dann ist man hier auch nicht daran interessiert, Studenten aus einem weiten gesellschaftlichen Bereich zu gewinnen.«
    »Nicht unbedingt, nein.«
    Sie nahm die Brille ab, schob ihr vorbereitetes Material zur Seite und schaute mich aus weitsichtigen Augen an.
    »Ich hoffe, Sie zielen mit Ihrer Befragung nicht ausgerechnet in diese Richtung.«
    »Wieso glauben Sie das, Margaret?«
    Sie bewegte die Lippen, versuchte ein paar ungesprochene Worte, fand sie aber alle nicht passend. Schließlich sagte sie: »Ich dachte, Sie wollten einen Artikel über Ihre Eindrücke schreiben. Etwas Positives.«
    »Das wird es ganz sicher. Ich bin nur neugierig, wissen Sie.« Es war klar, ich hatte einen empfindlichen Nerv

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