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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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getroffen - nicht, daß es mir etwas einbrachte, denn wenn ich meine Quelle verstimmte, konnte sie leicht versiegen, und das war das letzte, was ich brauchte. Aber dieser hochnäsige Elite-Dünkel regte mich auf und brachte den bösen Buben in mir zum Vorschein.
    »Ich verstehe.« Sie setzte die Brille wieder auf und nahm ihre Unterlagen, schaute sie durch und schürzte die Lippen. »Alex«, sagte sie, »kann ich offen mit Ihnen sprechen - und ganz inoffiziell, sozusagen als Ex-Journalistin zu einem Kollegen?«
    »Klar.« Ich klappte den Notizblock zu und steckte den Kugelschreiber in die Jackentasche.
    »Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.« Sie spielte mit dem Aufschlag ihres Tweedkostüms, drehte den rauhen Stoff hin und her und glättete ihn dann wieder. »Diese Story- Ihr Besuch hier- wird von der Verwaltung nicht gerade mit großer Begeisterung gesehen. Wie Sie vielleicht an der Vornehmheit meiner Umgebung erkennen können, ist Public Relations nicht unbedingt das, worauf es dem Jedson College besonders ankommt. Nachdem ich gestern mit Ihnen telefoniert hatte, teilte ich meinen Vorgesetzten mit, daß Sie herkommen. Ich dachte, daß das mit Freude zur Kenntnis genommen wird. Aber das Gegenteil war der Fall. Man hat mich nicht gerade für mein Verhalten gelobt.« Sie zog eine Schnute, als erinnerte sie sich an höchst schmerzhafte Prügel, die sie hatte einstecken müssen. »Ich hatte nicht die Absicht, Ihnen Schwierigkeiten zu machen, Margaret.«
    »Sie konnten es ja nicht wissen. Wie ich Ihnen sagte, ich bin noch neu hier. Hier ist alles ein bißchen anders. Es ist eine andere Lebensart - ruhig, konservativ. Dieser Ort hat etwas Zeitloses an sich.«
    »Und wie zieht ein College Interessenten an, ohne daß es Interesse weckt?«
    Sie kaute an ihrer Unterlippe.
    »Ich will wirklich nicht darauf eingehen.«
    »Margaret, wir sprechen hier ganz unter uns. Lassen Sie mich nicht gegen eine Mauer anrennen.«
    »Es ist nicht wichtig«, beharrte sie, aber ihr Busen hob und senkte sich, und in ihren vergrößerten Augen war deutlich der Konflikt zu sehen, der in ihrem Inneren vor sich ging. Ich setzte auf diesen Konflikt.
    »Wozu dann die ganze Aufregung? Wir Schriftsteller müssen offen zueinander sein. Es gibt genügend Leute da draußen, die uns zensieren.«
    Sie dachte lange darüber nach. Das Tauziehen in ihrem Inneren war deutlich auf ihrem Gesicht zu erkennen, und ich fühlte mich miserabel.
    »Ich habe keine Lust, von hier wegzugehen«, sagte sie schließlich. »Ich habe eine hübsche Wohnung mit Blick auf den See, meine Katzen und meine Bücher. Ich will nicht das alles verlieren. Ich will nicht packen und zurückfahren müssen in den Mittelwesten. In meilenweite Ebenen ohne Berge und ohne Hügel, ohne die Möglichkeit, sich eine Aussicht zu verschaffen. Verstehen Sie?«
    Ihre Haltung und ihr Ton waren kalt und abweisend, aber ich kannte diese Haltung, hatte sie bei zahllosen meiner Patienten erlebt, kurz bevor die Verteidigung zusammenbrach. Sie wollte sich gehen lassen, und ich half ihr dabei, manipulativer Schweinehund, der ich war…
    »Haben Sie verstanden, was ich sagte?« fragte sie mich jetzt. Und ich hörte mich antworten, so glatt, so liebenswert: »Natürlich verstehe ich das.«
    »Alles, was ich Ihnen sage, muß vertraulich bleiben. Nicht zur Veröffentlichung geeignet.«
    »Ich verspreche es. Ich bin ein Feature-Autor und habe keine Ambitionen, ein Woodward oder Bernstein zu werden.« Jetzt erschien erstmals der Hauch eines Lächelns auf den großen, ausdrucksarmen Zügen.
    »Nein? Ich hatte sie, früher einmal. Nach vier Jahren Arbeit für die Studentenzeitung von Madison dachte ich mir, ich lasse den Journalismus ruhen. Ich habe ein Jahr kein Wort geschrieben und als Kellnerin gearbeitet. Aber ich haßte es. Dann begann ich bei einer Hundezeitung und schrieb Pressemitteilungen über Pudel und Schnauzer. Sie brachten mir die kleinen Biester ins Büro zum Photographieren, und sie haben den Teppich versaut. Es stank. Als der Job nicht mehr zu ertragen war, habe ich zwei Jahre lang über Gewerkschaftstreffen und Polkapartys in New Jersey berichtet, und das hat mich meiner letzten Illusionen beraubt. Jetzt will ich nur noch meine Ruhe und meinen Frieden.«
    Wieder nahm sie die Brille ab. Sie schloß die Augen und massierte sich die Schläfen.
    »Wenn man es genau nimmt, wollen wir das alle«, sagte ich. Sie schlug die Augen wieder auf und blinzelte in meine Richtung. So, wie sie die weitsichtigen

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