Blackout
nicht mehr ein wandelndes Skelett wie früher. Sie ist normal, soweit ich es beurteilen kann. Sie kann jetzt sogar lächeln. Und das verdanke ich Ihnen, Doktor.«
»Alles Gute, Ned.«
»Ihnen auch.
Ich legte auf. Biondis Dankbarkeit weckte in mir momentane Zweifel über mein Ausscheiden aus dem Beruf. Aber dann mußte ich an blutige Körper denken, und der Zweifel stand auf und setzte sich hinten auf den Leichenwagen.
Ich brauchte mehrere falsche Anläufe, um endlich die richtige Person beim Jedson College an die Strippe zu bekommen. »Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Miß Dopplemeier.«
»Miß Dopplemeier, hier spricht Alex Delaware. Ich bin Journalist bei der Los Angeles Times.«
» Was kann ich für Sie tun, Mr. Delaware?«
»Ich schreibe einen Artikel über die kleinen Colleges im Westen und konzentriere mich auf Institute, die nicht so bekannt, aber dennoch hervorragend gut sind. Claremont, Occidental, Reed und so weiter. Wir möchten auch Jedson in dem Artikel erwähnen.«
»Ach, wirklich?« Es hörte sich überrascht an, als wäre es das erste Mal, daß sie mit jemandem sprach, der Jedson unter die »hervorragenden Instituten einreihte. »Das wäre sehr schön, Mr. Delaware. Ich bin jederzeit bereit, mit Ihnen zu sprechen und alle Ihre Fragen zu beantworten.«
»Ich hatte es mir eigentlich etwas anders vorgestellt. Wissen Sie, mir kommt es auf den persönlichen Eindruck an. Mein Verleger hält nichts von Statistiken; er ist in erster Linie an farbigen Berichten interessiert. Der Tenor der Geschichte ist, daß kleine Colleges persönliche Kontakte und Intimität bieten, die bei den großen Universitäten leider vernachlässigt werden.«
»Wie wahr.«
»Und deshalb besuche ich die Colleges, unterhalte mich mit dem Personal und den Studenten - es ist ein Artikel, der meine Eindrücke wiedergeben soll.«
»Ich weiß, was Sie meinen. Sie wollen mit einer menschlichen Stimme sprechen.«
»Genau. Sie haben es gut ausgedrückt.«
»Ich habe zwei Jahre bei einer Zeitung in New Jersey gearbeitet, bevor ich nach Jedson gekommen bin.« In der Seele eines jeden PR-Agenten liegt ein journalistischer Homunkulus gefesselt, der darum kämpft, freigelassen zu werden, damit er den Ohren der Welt einen Knüller verkünden kann.
»Ah, eine verwandte Seele.«
»Ja, also, ich hab’s dann sein gelassen, aber ich glaube, von Zeit zu Zeit falle ich in die alten Untugenden zurück.«
»Man wird nicht reich dabei, aber es hält einen in Trab, Miß Dopplemeier.«
»Margaret.«
»Margaret. Ich habe vor, noch heute abend hinzufliegen, und möchte gern morgen bei Ihnen vorbeikommen.«
»Mal sehen.« Ich hörte Papier rascheln. »Wie wär’s um elf?«
»Gut.«
»Kann ich irgend etwas für Sie vorbereiten?«
»Eine Sache, die uns interessiert, ist das, was aus den Absolventen der kleinen Colleges geworden ist. Ich höre also gern etwas über Ihre berühmten Studenten: Doktoren, Anwälte, und so weiter.«
»Ich muß gestehen, ich bin selbst nicht mit dem Verzeichnis der Studenten vertraut - ich arbeite erst seit ein paar Monaten hier. Aber ich werde mich umhören und herausfinden, wer Ihnen da weiterhelfen kann.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür.«
»Wo kann ich Sie notfalls erreichen?«
»Ich bin meistens unterwegs. Aber Sie können eine Nachricht bei einem meiner Kollegen hinterlassen, Edward Biondi.« Ich nannte ihr Neds Nummer bei der Times. »Also gut, dann sehen wir uns morgen um elf. Das College ist in Bellevue, am Stadtrand von Seattle. Wissen sie, wo?«
»Am Ostufer des Lake Washington?« Vor Jahren hatte ich das Heim von einem meiner Professoren in Bellvue besucht. In meiner Erinnerung war es eine Schlafstadt der oberen Mittelschichten mit aggressiv modernen Häusern, rechteckigen Rasenflächen und niedrigen Einkaufszentren, in denen es Delikatessenläden, Antiquitätengeschäfte und überteuerte Herrenkonfektion gab.
»Das ist richtig. Wenn Sie aus dem Zentrum kommen, nehmen Sie die Interstate eins zur fünfhundertzwanzig, die zur Evergreen Point Floating Bridge fuhrt. Fahren Sie über die Brücke ans Ostufer, biegen Sie dort Richtung Süden ab, nach Fairweather, und weiter am See entlang. Jedson ist an der Meydenbauer Bay, neben dem Jachtklub. Ich bin im Parterre der Crespi Hall. Bleiben Sie zum Lunch?«
»Das kann ich nicht sicher sagen. Es hängt davon ab, wie es bei mir läuft.« Und was ich finde, fügte ich in Gedanken hinzu.
»Ich lasse einen Lunch vorbereiten, für alle Fälle.«
»Das
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