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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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mir eine Sporthose aus strapazierfähigem Stoff an, außerdem eine Lederjacke und darunter einen Rollkragenpullover, dann nahm ich den einzigen Regenmantel mit, den ich besaß: eigentlich eine halblange, ungefütterte, zweireihige Popelinjacke, wie man sie in Südkalifornien brauchte, aber nicht hier in diesen rauheren Gegenden. Anschließend ging ich hinunter, frühstückte ausgiebig mit Räucherlachs, Bagels, Orangensaft und Kaffee und erreichte die Docks bereits um zehn nach sieben.
    Ich war einer der ersten, die mit ihren Wagen eine Schlange vor der Einfahrt zur Autoverladung bildeten. Sie geriet in Bewegung, und gleich danach fuhr ich über eine Rampe in den Bauch der Fähre, hinter einem VW-Bus mit dem Aufkleber RETTET DIE WALE! an der hinteren Stoßstange. Ich folgte dem Gestikulieren eines Angestellten der Fähre in einem orangefarbenen Overall und parkte auf sein Handzeichen hin zehn Zentimeter neben der glatten, weißlackierten Trennwand. Dann stieg ich aus, ging die zwei Treppen nach oben und befand mich an Deck. Ich kam an einem Souvenirladen vorbei, dann an einem Tabakladen und einer Snackbar, alle geschlossen, und an einem verdunkelten Raum, in dem von der einen bis zur anderen Wand Video-Spielautomaten standen. Ein einsamer Kellner spielte Pac Man und verschlang die Punkte mit einer vor Konzentration gerunzelten Stirn. Ich fand einen Platz mit Ausblick am Heck, faltete meinen Regenmantel, legte ihn mir über den Schoß und lehnte mich zu der einstündigen Fahrt zurück.
    Das Schiff war praktisch leer. Meine wenigen Mitreisenden waren überwiegend junge Leute in Arbeitskleidung: Hilfskräfte vom Festland, engagiert für bestimmte Arbeiten in den Herrenhäusern von Brindamoor. Auf der Rückfahrt des Frühboots würden vermutlich ganz andere Pendler die Fähre füllen. Anwälte, Bankiers und große Bosse aus dem Wirtschaftsleben, auf dem Weg zu ihren Büros in der Stadt oder zu holzgetäfelten Sitzungssälen irgendwo in der großen Welt der Hochfinanz. Der Ozean rauschte und rollte und schäumte in Erwiderung der Windböen, die seine Oberfläche peitschten. Draußen auf der offenen See waren kleinere Schiffe, meistens Fischerboote, Schlepper und Schuten, und sie tanzten wie auf Kommando, stiegen hoch, verbeugten sich und senkten sich dann wieder tief in die Wellen. Die Fähre dagegen bewegte sich kaum mehr als ein Spielzeugmodell in einem Regal.
    Eine Gruppe von sechs jungen Männern, alle noch keine zwanzig, kam an Bord und setzte sich drei Meter von mir entfernt gegenüber auf die Bank. Blond, bärtig in verschiedenen Abstufungen von buschig bis schütter, gekleidet in zerknitterte Khakis und schmutziggraue Jeans, reichten sie eine Thermosflasche herum, die alles andere als Kaffee enthielt, scherzten, rauchten, legten die Füße auf die Sitze und stießen ein kollektives Gelächter aus, das an den Lärm in Bierzelten erinnerte. Einer von ihnen bemerkte mich und hielt die Thermosflasche hoch.
    »Na, auch ‘nen Schluck, Mann?« bot er mir an.
    Ich lächelte und schüttelte den Kopf.
    Er zuckte mit den Schultern, wandte sich ab, und die Party nahm ihren Lauf.
    Das Horn der Fähre tutete, das Zittern und Grollen der Maschinen verbreitete sich durch die Planken, und wir begannen uns zu bewegen.
    Auf der Hälfte der Fahrt stand ich auf und ging zu den sechs jungen Burschen hinüber, die jetzt zusammengesunken dasaßen. Drei von ihnen schliefen und schnarchten mit offenen Mündern, einer las in einem Heft mit pornographischen Karikaturen, und zwei, darunter auch der Bursche, der mir einen Schluck angeboten hatte, rauchten und betrachteten hypnotisiert die glimmenden Enden ihrer Zigaretten. »Entschuldigen Sie.«
    Die beiden Raucher blickten hoch. Der Porno-Liebhaber achtete nicht auf mich.
    »Ja?« Der Freundliche von vorhin lächelte. Ihm fehlte die Hälfte seiner oberen Schneidezähne: schlechte Mundhygiene oder hitziges Blut. »Tut mir leid, Mann, die Campbell-Suppe ist alle.« Er hob die Thermosflasche an und schüttelte sie. »Stimmt’s, Dougie?«
    Sein Begleiter, ein fetter Bursche mit hängendem Schnurrbart und buschigen Koteletten, lachte und nickte dazu. »Ja. Suppe is’ alle. Hühnernudelsuppe. Fünfundvierzig Prozent. «
    Von meinem Platz aus roch die ganze Mannschaft wie eine Destille.
    »Macht nichts. War sehr nett, Ihr Angebot. Ich frage mich nur, ob sie mir ein paar Informationen über Brindamoor geben können.«
    Die beiden jungen Burschen schauten sich verblüfft an, als hätten sie nie im

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