Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
könne, solange man hypnotisiert sei. »Alle Hypnose«, endete ich, »ist letztlich Selbsthypnose. Meine Rolle besteht lediglich darin, Ihrer Tochter bei etwas zu helfen, das für sie ganz natürlich ist.«
    Sie verstand wahrscheinlich nicht mehr als zehn Prozent davon, aber es schien sie zu beruhigen.
    »Natürlich- das können Sie zweimal sagen. Sie träumt ja sowieso schon den ganzen Tag.«
    »Genau - und Hypnose ist damit ganz nah verwandt.«
    »Die Lehrer beschweren sich die ganze Zeit und sagen, sie ist immer in Gedanken ganz woanders und macht ihre Arbeiten nicht so, wie sie soll.«
    Das betonte sie, als rechnete sie damit, daß ich etwas dagegen unternehmen würde. Milo mischte sich ein.
    »Hat Sarah Ihnen inzwischen mehr über das gesagt, was sie gesehen hat, Mrs. Quinn?«
    »Nein, nein.« Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Wir haben nicht mehr darüber gesprochen.« Milo nahm seinen Notizblock heraus und blätterte zurück. »Ich habe hier aufgeschrieben, daß Sarah nicht schlafen konnte und im Wohnzimmer saß - also hier in diesem Raum -, um ein Uhr morgens.«
    »Wird schon so gewesen sein. Ich bin um halb zwölf ins Bett gegangen und noch einmal um zwanzig nach zwölf aufgestanden, um eine Zigarette zu rauchen. Zu der Zeit hat sie geschlafen, und ich hab’ auch nichts mehr, von ihr gehört, während ich wieder eingeschlafen bin. Ich hätte sie bestimmt gehört - wir schlafen in einem Zimmer.«
    »Aha. Und sie hat zwei Männer gesehen - hier steht: ›Ich habe große Männer gesehen.‹ Der Beamte hat sie dann gefragt: ›Wie viele Männer, Sarah?‹ Und sie hat geantwortet: ›Zwei, vielleicht drei.‹ Als er sie fragte, wie sie aussahen, konnte sie nur angeben, daß sie dunkel waren.«
    Inzwischen hatte sich Milo an mich gewendet. »Wir haben gefragt, ob sie damit Schwarze meint oder Dunkelhäutige, zum Beispiel Latinos. Nein. Nur dunkel.«
    » Das könnte auch bedeuten, daß es Schatten waren. Bei einer Siebenjährigen kann das alles mögliche heißen«, sagte ich. »Ich weiß.«
    »Also könnte es zwei Männer bedeuten oder einen mit einem Schatten, oder-«
    »Ist mir völlig klar - du brauchst es nicht zu sagen.« Oder gar nichts.
    »Sie sagt nicht immer die Wahrheit.«
    Wir wandten uns beide Bonita Quinn zu, die in den paar Sekunden, während wir über die Aussage spekulierten, ihre Zigarette ausgedrückt und sich eine neue angezündet hatte. »Ich meine damit nicht, daß sie ein schlimmes Kind ist. Aber sie sagt nicht immer die Wahrheit. Ich weiß auch nicht, warum Sie sich ausgerechnet auf das verlassen wollen, was sie sagt.« Ich fragte: »Haben Sie Probleme mit ihr, weil sie eine chronische Lügnerin ist - auch bei Dingen, wo es keinen rechten Sinn ergibt-, oder lügt sie nur, um keinen Ärger zu bekommen?«
    »Das zweite. Wenn sie nicht will, daß ich sie verklopfe und ich weiß, daß sie etwas kaputtgemacht hat, dann geht es los. Dann sagt sie, nein, Mama, das bin ich nicht gewesen. Und dann bekommt sie die doppelte Prügel.« Sie schaute mich an, erwartete einen Tadel. »Ich meine, weil sie nicht die Wahrheit gesagt hat.«
    »Haben Sie sonst noch Probleme mit ihr?« fragte ich höflich. »Sie ist ein gutes Kind, Doktor. Nur diese Tagträume und ihre Probleme mit der Konzentration.«
    »Ach ja?« Ich mußte etwas über dieses Kind wissen, wenn es mir gelingen sollte, die Hypnose mit ihm zu versuchen. »Die Konzentration, ja… Es fällt ihr schwer.« Kein Wunder in dieser winzigen, fernsehgesättigten Zelle, dachte ich. Die Wohnungen hier waren vermutlich nur für wohlhabende Erwachsene gedacht, und Sarah Quinn durfte keinen Mucks machen. Es gibt einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung von Südkalifornien, der den Anblick von zu jungen und zu alten Menschen nicht ertragen kann. Es ist so, als ob niemand daran erinnert werden wollte, woher er kommt und wohin er geht. Diese Art der Verleugnung, zusammen mit Gesichtsoperationen, Haartransplantationen und Make-up schafft eine angenehme Illusion der Unsterblichkeit - für kurze Zeit.
    Ich hätte wetten mögen, daß Sarah Quinn den größten Teil ihres Lebens in der Wohnung verbrachte, obwohl sich die Wohnanlage dreier Swimmingpools und eines voll eingerichteten Gymnastik- und Trainingsraums rühmte. Ganz zu schweigen vom Ozean, der keine halbe Meile entfernt war. Aber diese Spielzeuge waren nur für Erwachsene bestimmt. »Ich bin mit ihr zum Doktor gegangen, als mir die Lehrer diese Briefchen geschickt haben, in denen es hieß, daß sie

Weitere Kostenlose Bücher