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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Stimulantien abhängig. Und was ist mit Mrs. Quinn? Sie hat eine Riesenangst. Wenn wir ihrem kleinen Liebling die Pille wegnehmen, wird sie das Kind zwölf Stunden am Tag einsperren. Hier hat man es gern ruhig, weißt du.« Der Wohnkomplex war still wie ein Mausoleum. Um Viertel vor zwei am Nachmittag.
    »Kannst du dir das Kind nicht wenigstens anschauen? Vielleicht ist es ja gar nicht so betäubt von dem Zeug.« Gegenüber stand die Tür zur Wohnung von Handler offen. Ich erhaschte einen Blick auf unordentliche Eleganz: Orientteppiche, Antiquitäten, strenge Akrylmöbel, zerbrochen und umgekippt, dazu blutbespritzte, weiße Wände. Die Männer vom Labor der Polizei arbeiteten schweigend wie Maulwürfe.
    »Inzwischen hat sie ihre zweite Dosis bekommen, Milo.«
    »Scheiße.« Er schlug mit der Faust der einen Hand gegen die andere Handfläche. »Schau dir die Kleine trotzdem mal an. Sag mir deinen Eindruck. Vielleicht ist sie ja doch aufgeweckt.« Davon konnte allerdings nicht die Rede sein. Ihre Mutter brachte sie herein in den Wohnraum und ließ sie dann bei Milo stehen. Das Kind schaute ins Leere und lutschte am Daumen. Ein kleines Kind für ihr Alter. Ich hätte sie auf fünf, höchstens fünfeinhalb geschätzt. Sie hatte ein längliches, ernstes Gesicht mit übergroßen, braunen Augen. Die glatten, blonden Haare fielen ihr auf die Schultern, und wurden durch zwei Plastikklammern aus dem Gesicht gehalten. Sie hatte eine Blue Jeans an und ein blau-grün-weißgestreiftes T-Shirt. Die Füße waren nackt und schmutzig.
    Ich führte sie zu einem Stuhl und setzte mich ihr gegenüber auf die Couch.
    »Hallo, Sarah. Ich bin Doktor Delaware. Ich bin Psychologe. Weißt du, was das ist?« Keine Antwort.
    »Ich bin ein Doktor, der keine Spritzen gibt. Ich rede nur mit den Kindern, zeichne und spiele mit ihnen. Und ich versuche, den Kindern zu helfen, die traurig oder zornig sind, oder denen, die Angst haben.«
    Beim Wort ›Angst‹ schaute sie eine Sekunde hoch. Dann richtete sie den Blick wieder an mir vorbei und lutschte am Daumen.
    »Weißt du, warum ich mit dir rede?« Ein Kopfschütteln.
    »Es ist nicht, weil du vielleicht krank wärst oder etwas angestellt hättest. Wir wissen, daß du ein braves Mädchen bist.« Ihre Blicke bewegten sich durch den Raum, wobei sie mir absichtlich auswichen.
    »Ich bin hier, weil du gestern nacht vielleicht etwas gesehen hast, was wichtig ist, als du nicht schlafen konntest und zum Fenster hinausgeschaut hast.«
    Sie gab keine Antwort. Ich fuhr fort. »Sarah, was machst du am liebsten?« Nichts.
    »Spielst du gern?« Sie nickte.
    »Ich spiele auch gern. Und ich laufe gern Rollschuh. Läufst du auch Rollschuh?«
    »Nee.« Natürlich nicht. Rollschuhlaufen machte Geräusche. »Und ich sehe gern Filme. Siehst du auch gern Filme? Sie murmelte etwas. Ich beugte mich näher hin. »Was ist das, Schatz?«
    »Im Fernsehen.« Ihre Stimme war dünn und zitternd, ein bebendes Geräusch, wie ein Windzug in trockenem Laub. »Aha, im Fernsehen. Ich sehe auch gern fern. Was für Shows magst du am liebsten?«
    »Scooby Doo.«
    »Scooby Doo. Eine gute Show. Was noch?«
    »Meine Mutter sieht immer die Seifenopern.«
    »Magst du die Seifenopern?« Sie schüttelte den Kopf. »Ganz langweilig, was?«
    Die Andeutung eines Lächeln rings um den Daumen. »Hast du Spielsachen, Sarah?«
    »In meinem Zimmer.«
    »Willst du sie mir zeigen?«
    Der Raum, den sie mit ihrer Mutter teilte, war weder das Zimmer eines Erwachsenen noch ein Kinderzimmer. Er war nicht größer als zehn Quadratmeter, eine niedrige Decke mit einem einzigen Fenster, das hoch oben eingesetzt war, was den Eindruck einer Gefängniszelle vermittelte. Sarah und Bonita schliefen in einem Doppelbett. Es war zur Hälfte ungemacht, die dünne Oberdecke war zurückgeschlagen und enthüllte das zerknitterte Laken. Auf der einen Seite des Betts stand ein Nachttisch mit Fläschchen und Cremetiegeln, Handcremes, Bürsten, Kämmen und einem Stück Pappe, an das Haarspangen geklemmt waren. Auf der anderen Seite war ein riesiges, mottenzerfressenes Walroß aus irgendeinem fusseligen Material in schreiendem Türkis. Das gerahmte Photo eines Babys war der einzige Wandschmuck. Ein schiefer Sekretär aus unbearbeitetem Kiefernholz, auf dem ein gesticktes Zierdeckchen lag, und der Fernseher waren die einzigen anderen Möbelstücke im Raum.
    In einer Ecke lag ein kleiner Haufen Spielzeug.
    Sarah führte mich zögernd hin. Sie nahm eine schmutziggraue, nackte

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