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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Tabletten auf meine Handfläche. Sie waren goldbraun, die 20-Milligramm-Pillen. Ich warf einen Blick auf den Aufkleber. Dreimal täglich eine Tablette. Sechzig Milligramm, das Maximum der empfohlenen Dosierung. Starker Tobak für eine Siebenjährige.
    »Und Sie geben ihr die Tabletten dreimal täglich?«
    »Mhm. Das heißt es doch, oder?«
    »Ja, das steht hier. Hat Ihr Arzt mit geringeren Dosen begonnen- mit weißen oder blauen Tabletten?«
    »O ja. Erst sollte sie drei von den blauen nehmen. Das hat ganz gut geklappt, aber ich hab’ immer noch die Beschwerden von den Lehrern gekriegt, also hat der Doktor gemeint, ich soll diese versuchen.«
    »Und die Dosierung wirkt gut bei Sarah?«
    »Ich finde, ja. Wenn es ein anstrengender Tag ist und viele Leute zu mir kommen - Sarah wird furchtbar unruhig, wenn viele Leute da sind und wenn es hier viel Betrieb gibt -, dann gebe ich ihr noch eine.«
    Und das war dann zweifellos eine Überdosis.
    Bonita Quinn muß die Überraschung und Mißbilligung, die ich zu verbergen trachtete, an meiner Miene erkannt haben, denn sie sprach jetzt etwas indigniert.
    »Der Doktor hat gesagt, es ist okay. Er ist ein bedeutener Mann. Verstehen Sie, hier in dieser Wohnanlage sind keine Kinder erlaubt, und ich darf hier nur bleiben, weil sie ein ruhiges Kind ist. M und M-Immobilien, die das alles verwalten, haben mir gesagt, wenn Klagen über das Kind kommen, muß ich weg.«
    Kein Zweifel, daß das Wunder wirkte für Sarahs soziale Entwicklung. Wahrscheinlich hatte sie keinen einzigen Spielgefährten hier, keinen Freund und keine Freundin. Eine grausame Ironie, die Vorstellung einer Siebenjährigen, die in all dem Glanz von wohlhabenden Singles eingesperrt war, in einem Mini-Slum mitten in der feinen, luftigen Höhe über dem Pazifik, und die mit Ritalin vollgepumpt wurde, um den Wünschen des gnadenlosen Schulsystems, einer etwas beschränkten Mutter und der Immobilienfirma M und M gerecht zu werden.
    Ich warf noch einmal einen Blick auf den Aufkleber des Fläschchens, um den Namen des verschreibenden Arztes festzustellen. Als ich ihn gelesen hatte, war mir alles klar. L.W. Towle. Dr. med. Lionel Willard Towle. Einer der anerkanntesten und berühmtesten Kinderärzte auf der West Side. Ich hatte ihn nie persönlich kennengelernt, kannte aber seinen Ruf Er war Mitglied des Verwaltungsrats beim Western Pediatric und einem halben Dutzend weiterer Krankenhäuser auf der Westseite der Stadt. Eine große Nummer bei der Fakultät für Kinderheilkunde. Ein gefragter Gastredner bei Seminaren über Lernschwierigkeiten und Verhaltensproblemen.
    Außerdem war Dr. Towle bezahlter Berater bei drei größeren Arzneimittelkonzernen. In den Jargon der Straße übersetzt hieß das: Er war ihr Pusher. Und er hatte einen gewissen negativen Ruf, vor allem bei den jüngeren Ärzten, die inzwischen in Sachen Medikamente eher konservativ dachten, als ein Mann, der sehr leichtfertig mit dem Rezeptblock umging. Niemand wagte es zu laut zu sagen, weil Towle lange genug herumgekommen war und über viele bedeutetende Patienten und Verbindungen verfügte. Aber insgeheim war man sich darüber klar, daß er ein Medizinmann mit Zaubertränken für die Kleinen war. Ich fragte mich, wie eine Bonita Quinn in seine Praxis gekommen war. Aber ich konnte sie nicht einfach darüber aushorchen, ohne allzu neugierig zu wirken. Ich gab ihr das Fläschchen zurück und wandte mich an Milo, der während der letzten paar Minuten schweigend da gesessen hatte.
    »Ich muß mit dir sprechen«, sagte ich. »Nur einen Moment, Ma’am.«
    Draußen vor der Wohnungstür sagte ich zu ihm: »Ich kann dieses Kind nicht hypnotisieren. Die Kleine steckt bis obenhin voll Beruhigungsmittel. Es wäre riskant, mit ihr zu arbeiten, und außerdem würden wir kaum etwas Brauchbares aus ihr herausbekommen.« Milo versuchte, es zu verdauen.
    »Scheiße.« Er kratzte sich am Kopf. »Und wenn wir ihr die Tabletten für ein paar Tage wegnehmen?«
    »Das ist eine medizinische Entscheidung. Wenn wir uns darauf einlassen, geht es ins Aschgraue. Wir brauchten vor allem das Einverständnis des behandelnden Arztes. Und damit dringen wir bereits in seine Schweigepflicht ein.«
    »Wer ist der Arzt?«
    Ich berichtete ihm von Towle.
    »Wundervoll. Aber vielleicht ist er damit einverstanden, daß sie ein paar Tage ohne Medikamente auskommt.«
    »Vielleicht, doch das heißt noch lange nicht, daß sie uns etwas sagen kann. Dieses Kind ist seit über einem Jahr von starken

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