Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman

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gesteckt und ebenfalls gefesselt. Sie atmete langsam, mit offenem Mund, schlief, den Kopf auf der Seite, und ihre blasse, tränenverschmierte Haut leuchtete wie durchsichtig im Halbdunkel der Glühbirne. Haarsträhnen hingen ihr lose um den Kopf. Winzig, verletzlich, verloren.
    Am Fuß der Pritsche war ein Plastiktablett mit ungegessenem, jetzt festgeklebtem und schrumpeligem Spiegelei, schlaffen Pommes frites, braun gewordenem Salat und einem geöffneten Wachspapierkarton mit Milch.
    »Nehmen Sie ihr die Fesseln ab.« Ich zielte mit dem Revolver auf ihn.
    Towle bückte sich über das Kind, arbeitete im Halbdunkel, um die Ledergurte zu lösen. »Was haben Sie ihr gegeben?«
    »Valium, in hohen Dosen. Und obendrauf Thorazin.« Dr. Towles Zaubertrank.
    Er hatte ihr die Fesseln abgenommen und schlug die Decke zurück. Sarah trug schmutzige Jeans und ein rot-weiß-gestreiftes T-Shirt mit Snoopy vorne drauf. Er hob das Hemd hoch und betastete ihren Bauch, prüfte den Puls, legte ihr eine Hand auf die Stirn - er spielte Doktor. »Sie ist mager, aber ansonsten gesund«, verkündete er. »Wickeln Sie sie wieder ein. Können Sie sie tragen?«
    »Sicher«, antwortete er, entrüstet, daß ich seine Kraft in Frage stellte.
    »Also dann, gehen wir.«
    Er nahm sie in seine Arme, hob sie hoch und sah für jeden Außenstehenden aus wie der große weiße Übervater. Das Kind stieß einen Seufzer aus, zitterte und klammerte sich an ihn. »Sobald wir draußen sind, lassen Sie sie ganz unter der Decke verschwinden.«
    Ich drehte mich halb um. Eine weiche, musikalische Stimme hinter mir sagte in schleppendem Tonfall: »Keine Bewegung, Doktor Delaware, sonst sind Sie Ihren Schädel los.« Ich erstarrte.
    »Leg die Kleine hin, Will. Und nimm ihm den Revolver ab.« Towle schaute mich ausdruckslos an. Ich zuckte mit den Schultern. Er legte Sarah wieder sachte auf die Pritsche und deckte sie zu. Ich reichte ihm den 38er.
    »Gegen die Wand, die Hände hoch, Doktor. Durchsuche ihn, Will.«
    Towle tastete mich ab. »Umdrehen.«
    McCaffrey stand da und füllte den Durchgang zwischen den beiden Räumen, eine 357er Magnum-Pistole in der einen Hand, eine Polaroid-Kamera in der anderen. Er trug einen hellgrün irisierenden Fallschirmspringeranzug mit vielen Reißverschlüssen und Gurten, dazu die passenden Lederschuhe. Im schwachen Licht wirkte auch seine Haut etwas grünlich. »Ts, ts, ts, Willie. Was stellen wir denn heute abend wieder an?«
    Der große Arzt ließ den Kopf hängen und scharrte nervös mit den Füßen.
    »Oder bist du nicht gesprächig, Willie? Auch gut. Wir sprechen uns später.« Die farblosen Augen verengten sich. »Jetzt haben wir erst einmal etwas zu tun.«
    »Ist das Ihre Vorstellung von Altruismus?« Ich betrachtete Sarahs schlaffe Gestalt.
    »Maul halten!« fuhr er mich an. Dann, zu Towle: »Zieh das Kind aus.«
    »Gus - ich - warum?«
    »Tu, was ich dir sage, Willie.«
    »Nein, nicht noch einmal, Gus«, beschwor ihn Towle. »Wir haben genug getan.«
    »Du Idiot, es ist noch längst nicht genug. Dieser Klugscheißer hier ist durchaus in der Lage, uns - dir und mir - eine Menge Ärger zu machen. Ich habe Pläne entwickelt, wie man ihn eliminiert, aber anscheinend muß ich es wieder einmal selbst in die Hand nehmen.«
    »Schöne Pläne«, zischte ich ihn an. »Halstead verwest auf einem verlassenen Bauplatz, fixiert mit einer Eisenstange, die er sich durch den Hals gestoßen hat. Er war ein Pfuscher, wie alle Ihre Sklaven.«
    McCaffrey schürzte die dicken Lippen. »Ich warne Sie«, sagte er.
    »Das ist Ihre Spezialität, wie?« fuhr ich fort mit dem Versuch, auf Zeit zu spielen. Ich sah, wie sich seine umfangreiche Silhouette hin und her bewegte, als er versuchte, mich ins Auge zu fassen. Aber das schwache Licht machte es ihm nicht leicht, mich genau zu beobachten. »Sie haben ein Talent dafür, Pfuscher aufzuspüren, Versager, emotionelle Krüppel, Ausgestoßene. Das gleiche Talent, das die Fliegen haben beim Aufspüren von Scheiße. Sie stürzen sich auf ihre offenen Wunden, Sie versenken ihre Hauer in ihr Fleisch und saugen sie aus.«
    »Wie literarisch«, erwiderte er mit leisem Lispeln; offenbar hatte er Mühe, sich zu beherrschen. Wir waren in einem engen Innenraum, und jeder impulsive Angriff hätte für beide Seiten tödlich ausgehen können.
    »Ihre.Sachen, Will«, sagte er. »Zieh sie aus.«
    »Gus-«
    »Du sollst sie ausziehen, du verdammter Jammerlappen!« Towle hob einen Arm vor das Gesicht wie ein Kind, das