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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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mußte. Und genau das war der Fall. Sie hatte die Erinnerung an ihren Vater wachgerufen, die Erinnerung daran, wie er vor ihrem Fenster herumgelungert und dann in Handlers Wohnung eingedrungen war. Sarah wußte, daß in der Wohnung etwas Schreckliches geschehen war. Sie wußte, daß ihr Daddy etwas Furchtbares getan hatte. Also hat sie es verdrängt. Und im Schlaf ist es zurückgekommen.« Mir war es klargeworden durch den Hinweis, den sie zurückgelassen hatte, als Ronnie Lee gekommen war und sie und ihre Mutter entführt hatte. Ein Schrumpfkopf, wertvoll bis dahin, ein Symbol ihres Daddys. Daß sie ihn nicht mitgenommer hatte, konnte nur eines bedeuten: Sie hatte sich von ihn: losgesagt, hatte begriffen, daß ihr Daddy ein böser Mann war, der nicht gekommen war, um sie zu besuchen, sondern um ihi weh zu tun. Vielleicht hatte sie beobachtet, wie er mit Bonita umsprang, vielleicht war es auch die rohe, brutale Art, wie ei sich ihr selbst gegenüber verhielt. Was auch immer, das Kind hatte es begriffen.
    Rückblickend war es völlig logisch, aber damals waren die Assoziationen noch schwer zu erkennen. »Es ist Ironie des Schicksals«, sagte Towle. »Ich habe ihr Ritalin verschrieben, um ihr Verhalten unter Kontrolle zu bekommen, und gerade dieses Medikament hat bei ihr Schlaflosigkeit bewirkt, so daß sie zur falschen Zeit wach war.«
    »Ironie, ja«, sagte ich. »Aber nun gehen wir hinein und holen sie. Sie werden mir helfen. Wenn es vorbei ist, kümmere ich mich darum, daß Ihnen geholfen wird.« Er sagte nichts, saß aufrecht da und bemühte sich, edel zu wirken.
    »Heißt das, Sie fordern meine Hilfe an?«
    »Genau das, Doktor.«
    »Die ist Ihnen gewährt.«

29
    Ich lag auf dem Boden des Lincoln, unter einer Decke. »Mein Revolver zielt genau auf Ihr Rückgrat«, erklärte ich ihm. »Ich rechne zwar nicht mit Schwierigkeiten von Ihrer Seite, aber wir kennen uns noch nicht lange genug, um einander zu trauen.«
    »Ich verstehe«, sagte er. »Und es macht mir nichts aus.«
    Er fuhr über die Zufahrtsstraße zum La Casa, bog links ab und steuerte den Wagen zum Tor zwischen dem Maschendrahtzaun, identifizierte sich der Stimme aus der Lautsprecherbox an der Einfahrt und wurde eingelassen. Ein kurzer Halt am Häuschen des Wachmanns, ein Austausch von Höflichkeiten, ein paar respektvolle Jawohl, Sir‹ vom Wachmann, und wir waren drinnen.
    Er fuhr bis zum anderen Ende des Parkplatzes. »Parken Sie in einer dunklen Ecke«, flüsterte ich. Der Wagen kam zum Stehen. »Alles klar«, sagte er.
    Ich kroch unter der Decke hervor, stieg aus dem Wagen und deutete ihm an, er solle mir folgen. Wir gingen nebeneinander über das Gelände. Praktikanten kamen paarweise an uns vorbei, grüßten Towle ehrerbietig und gingen weiter. Ich tat so, als sei ich sein Assistent.
    La Casa wirkte friedlich im Dunkeln. Durch die Bäume waren Lieder zu hören. ›O ho ho, und ‘ne Flasche voll Rum‹, ›Oh, Susanna.‹ Kinderstimmen. Eine etwas verstimmte Gitarre. Befehle von Erwachsenen, mikrophonverstärkt. Mücken und Motten kämpften um einen Platz im Licht pilzartiger Lampen, die kniehoch ins Blattwerk gebettet waren. In der Luft der süße Geruch nach Jasmin und Oleander. Hier und da eine Nase voll Salzluft, die vom nahen Ozean herüberwehte. Rechts die weite grüne Fläche der ›Wiese‹. Ein hübscher Friedhof. . . Das Wäldchen, dunkel, ein Pinienhain. . .
    Wir kamen am Swimmingpool vorbei, achteten darauf, nicht auf dem nassen Betonboden auszurutschen. Towle bewegte sich wie ein alter Krieger in seiner letzten Schlacht, das Kinn hochgereckt, die Arme an den Seiten. Er marschierte. Ich hatte den 38er griffbereit.
    Wir kamen unbemerkt zu den Bunkern.
    »Dieser da«, sagte ich. »Der mit der blauen Eisentür.«
    Die Rampe hinunter. Eine Drehung des Schlüssels, und wir waren drinnen.
    Das Innere war in zwei Räume unterteilt. Der eine, gleich nach der Tür, war leer bis auf einen Klappstuhl und einen Aluminiumtisch. Die Wände bestanden aus rohem Schlackestein und waren nicht verputzt und nicht bemalt. Es roch nach Schimmel. Der Boden war kalter Beton, ebenso die Decke. Das Viereck des Oberlichts markierte wie eine schwarze Wunde die Mitte der Decke. Das einzige Licht kam von einer Birne, die nackt an einer Fassung hing.
    Sarah war im zweiten Raum; sie lag auf einer Armeepritsche, bedeckt mit einer rauhen, olivfarbenen Wolldecke. Ledergurte an den Füßen und an der Brust fesselten sie an die Pritsche. Die Arme waren unter den Brustgurt

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