Blackout
schön gerundete Weichheit eingebettet war. Sie arbeitete mit ihren Händen, und es erstaunte mich immer wieder, wenn ich diese ungewöhnliche Kombination aus starken Muskeln und ausgsprochen weiblicher Sanftheit erlebte. Ob sie sich bewegte, ob sie ein Stück Rosenholz zersägte oder einfach ging, immer zeigte sie dabei Selbstvertrauen und Anmut. Daß ich sie kennengelernt hatte, war das Beste, was mir passieren konnte. Allein das schon war es wert gewesen, daß ich aus meinem früheren Leben ausgestiegen war.
Ich hatte mich bei McCabe umgeschaut, dem Gitarrengeschäft in Santa Monica, hatte alte Notenblätter durchgesehen und die Instrumente ausprobiert, die an den Wänden hingen. Vor allem eine besonders schöne Gitarre hatte es mir angetan, die meiner Martin nicht unähnlich, aber eher noch besser gefertigt war. Ich bewunderte die Handwerkskunst - es war ein handgearbeitetes Instrument - und ließ meine Finger über die Saiten gleiten, die mit ausgeklügelter Balance und perfektem Widerstand vibrierten. Ich nahm die Gitarre von der Wand, spielte ein paar Akkorde darauf und stellte fest, daß sie so gut klang, wie sie aussah, und rein wie eine Glocke tönte. »Gefällt sie Ihnen?«
Es war eine weibliche Stimme, und sie gehörte zu einem wunderbaren weiblichen Wesen, Mitte Zwanzig. Sie stand in meiner Nähe - wie lange, konnte ich nicht sagen; ich war ganz in die Betrachtung des Instruments versunken gewesen. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht, gekrönt von einem üppigen Mop kastanienbrauner Locken. Ihre Augen waren mandelförmig und weit auseinanderliegend, in der Farbe von altem Mahagoniholz. Sie war klein, nicht größer als einssechzig, mit schlanken Knöcheln, die zu eleganten Händen und langen, sich nach vorne verjüngenden Fingern führten. Wenn sie lächelte, zeigte sie ihre zwei oberen, elfenbeinweißen Schneidezähne, die größer als die übrigen waren. »Ja, ich finde sie großartig.«
»So gut ist sie auch wieder nicht.« Sie stemmte die Hände in die Hüften - sehr ausgeprägte Hüften. Sie hatte die Figur dazu, mit einer schmalen Taille und schön proportionierten Rundungen, die nicht einmal durch den Overall getarnt wurden, welchen sie sich über ihren Rollkragenpullover gezogen hatte. »Meinen Sie?«
»Ja, das meine ich.« Sie nahm mir die Gitarre aus der Hand. »Sehen Sie, hier ist zum Beispiel eine Stelle…« Sie tippte auf den Resonanzkörper. »Hier ist das Holz zu dünn geschliffen. Und die Balance zwischen Hals und Körper könnte besser sein.« Sie schlug ebenfalls ein paar Akkorde an. »Alles in allem würde ich ihr eine Acht geben bei einer Bewertung zwischen eins und zehn.«
»Sie scheinen sich gut auszukennen.«
»Kein Wunder, ich hab’ sie ja gemacht.«
An diesem Nachmittag brachte sie mich in ihre Werkstatt und zeigte mir die Instrumente, an denen sie arbeitete. »Das hier wird eine Zehn. Die andere war eine von meinen ersten. Man lernt nie aus.«
Ein paar Wochen später gab sie zu, daß sie mich absichtlich aufgegabelt hatte, daß das ihre Version war von »Kommen Sie doch noch mit und sehen Sie sich meine Briefmarkensammlung an‹.
»Es hat mir gefallen, wie du gespielt hast. Es hat so viel Feingefühl gezeigt.«
Danach sahen wir uns regelmäßig. Ich erfuhr, daß sie ein Einzelkind gewesen war, die Tochter eines erfahrenen Möbeltischlers, der ihr alles beigebracht hatte, was er wußte über die Kunst, rohes Holz in Gegenstände von großer Schönheit zu verwandeln. Sie war aufs College gegangen, hatte an der Universität ein paar Design-Kurse besucht, aber die Kontrolle und Bevormundung hatten sie ebenso wütend gemacht wie die Tatsache, daß ihr Vater rein intuitiv mehr von Form und Funktion verstand als alle ihre Lehrer und Lehrbücher zusammengenommen. Nachdem ihr Vater gestorben war, brach sie das Studium ab, nahm das Geld, das er ihr hinterlassen hatte, und steckt es in eine Werkstatt in San Luis Obispo. Sie lernte ein paar ansässige Musiker kennen, die ihre Instrumente zur Reparatur brachten. Zuerst war es eine Nebenbeschäftigung, denn sie versuchte, sich den Lebensunterhalt mit Entwürfen und der Herstellung von Möbeln nach Maß zu verdienen. Doch dann begann sie sich für die Gitarren, Banjos und Mandolinen zu interessieren, die den Weg auf ihre Werkbank fanden. Sie las Bücher über Instrumentenbau, stellte fest, daß sie über die dazu nötige Erfahrung verfügte, und baute ihre erste Gitarre. Sie klang großartig, und sie verkaufte sie für
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