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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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schon Menschen wegen eines zerbeulten Kotflügels umgebracht worden.
    Trotzdem fand ich es nicht sehr wahrscheinlich, daß die Depressiven und die Psychosomatischen, deren Krankenberichte ich durchgesehen hatte, aus dem Stoff dieser nächtlichen Schlächter gemacht waren. Und außerdem wollte ich nicht glauben, daß es zweitausend Verdächtige gab, die für diesen Mord in Frage kamen.
    Es war kurz vor fünf. Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank, nahm es mit hinaus auf den Balkon und legte mich dort auf eine Liege, wobei ich die Füße auf das Geländer plazierte. Ich trank und sah zu, wie die Sonne unter die Baumwipfel tauchte. Jemand in der Nachbarschaft spielte lauten Punk-Rock. Seltsamerweise paßte es nicht einmal so schlecht dazu.
    Um halb sechs rief Robin an.
    »Hallo, Schatz. Kommst du rüber? Heute abend läuft Key Largo im Fernsehen.«
    »Klar«, antwortete ich. »Soll ich was Eßbares von unterwegs mitbringen?«
    Sie überlegte einen Moment. »Wie wär’s mit Chiliwürstchen? Und Bier.«
    »Was das Bier angeht, bin ich dir schon ein paar voraus.« Drei leere, zerdrückte Coors-Dosen lagen auf der Theke in der Küche.
    »Laß mir Zeit, um dich einholen zu können, Schatz. Sagen wir, gegen sieben.«
    Von Milo hatte ich seit halb zwei nichts mehr gehört. Er hatte mich aus Bellflower angerufen und war auf dem Weg zur Vernehmung eines Mannes, der sieben Frauen mit einem Schraubenzieher angegriffen hatte. Sehr wenig Ähnlichkeit zum Fall Handler, aber man mußte mit dem vorliebnehmen, was man bekam.
    Jetzt rief ich beim Department, Abteilung Los Angeles West, an und hinterließ ihm die Botschaft, daß ich den Abend über nicht zu Hause zu erreichen wäre.
    Dann wählte ich die Nummer von Bonita Quinn. Ich ließ es fünfmal klingeln, und als sich niemand meldete, legte ich wieder auf.
     
    Humphrey und Lauren waren großartig wie immer. Nach den Chiliwürstchen mußten wir rülpsen, waren aber satt und zufrieden. Wir hielten uns in den Armen und hörten eine Weile Tal Farlow und Wes Montgomery. Dann nahm ich eine der Gitarren, die in der Werkstatt herumlagen, und spielte für sie. Sie hörte mit geschlossenen Augen und einem leisen Lächeln auf den Lippen zu, nahm zuletzt sachte meine Hände vom Instrument und zog mich zu sich hin.
    Ich hatte vorgehabt, über Nacht zu bleiben, aber gegen elf wurde ich unruhig. »Ist etwas, Alex?«
    »Nein.« Nur der Zeigarnik-Effekt, der an mir nagte. »Es ist dieser Fall, nicht wahr?« Ich sagte nichts.
    »Allmählich mache ich mir Gedanken über dich, mein Lieber.« Sie legte ihren Kopf auf meine Brust, eine willkommene Last. »Du bist richtig nervös, seit Milo dich da hineingezogen hat. Ich kenne dich ja nicht von früher, aber nach dem, was du mir erzählt hast, kommt es mir vor wie in deinen alten Tagen.«
    »Der alte Alex war auch wieder nicht so schlecht«, sagte ich zu meiner Verteidigung. Sie schwieg weise.
    »Nein«, verbesserte ich mich. »Der alte Alex war ein langweiliges Ekel. Ich versprech’ dir, daß ich ihn nicht zurückhole, okay?«
    »Okay.« Sie küßte mich auf die Spitze meines Kinns.
    »Gib mir nur etwas Zeit, um diese Sache hinter mich zu bringen.«
    »Gut.«
    Aber während ich mich anzog, betrachtete sie mich mit einer Kombination aus Sorge, Verletztheit und Verwirrung. Als ich etwas sagen wollte, drehte sie sich einfach um. Ich setzte mich auf die Bettkante und nahm Robin in meine Arme. Dann wiegte ich sie hin und her, bis ihre Arme meinen Hals umschlangen.
    »Ich liebe dich«, sagte ich. »Laß mir ein bißchen Zeit.«
    Sie gab einen warmen, glücklichen Laut von sich und hielt mich noch fester.
    Als ich sie verließ, schlief sie bereits, und ihre Lider zuckten beim ersten Traum dieser Nacht.
     
    Ich warf mich auf die hundertzwanzig Blätter, die ich beiseitegelegt hatte, und arbeitete bis in die frühen Morgenstunden. Auch hier handelte es sich überwiegend um recht nüchterne Dokumente. Einundneunzig von den Patienten waren physisch kranke Männer, die Morton Handler als Berater aus den Zeiten kannte, als er noch beim Cedars-Sinai-Krankenhaus arbeitete, als Mitglied des dortigen Psychiatrie-Stabs. Weitere zwanzig waren als schizophren diagnostiziert worden, doch bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, daß es senile Patienten waren, aus einem Sanatorium, in dem er ein Jahr lang gearbeitet hatte.
    Die restlichen neun Männer waren interessant. Handler hatte sie alle als Menschen mit psychopathischer Persönlichkeitsstörung

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