Blackout
ihm die Akten der neun Psychopathen unter den Arm. »Bettlektüre, Milo.« Er ging fluchend die Treppe hinunter und zu seinem Fiat, hielt sich einen Moment am Türgriff fest und warf sich dann mit einer einzigen Bewegung in den Fahrersitz. Mit Hilfe eines rollenden Starts brachte er den Motor zum Laufen. Endlich allein, ging ich ins Bett, las die Los Angeles Times und sah ein bißchen fern - aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich sah, außer daß es viele alberne Sprüche und wackelnde Titten und Polizisten gab, die aussahen wie Photomodelle. Ich genoß die Einsamkeit ein paar Stunden lang und hielt nur inne, um ein paarmal zwischendurch an Mord und Habgier und verdrehte, böse Gehirne zu denken, bevor ich in Schlaf sank.
11
»Also dann«, sagte Milo. Wir saßen in einem Verhörraum im Gebäude des Polizeidepartments Los Angeles West. Die Wände waren teils Einnwegspiegel und teils erbsengrün gestrichen. Die Einrichtung bestand aus einem grauen Metalltisch und drei Klappstühlen, ebenfalls aus Metall. Von der Decke hing ein Mikrophon. In der Luft war der abgestandene Geruch nach Schweiß und Lügen und Angst, der Gestank von reduzierter Menschenwürde.
Milo hatte die Akten auf dem Tisch ausgebreitet und nahm jetzt mit schwunghafter Bewegung die erste in die Hand. »Hier hast du deine neun Bösewichter. Nummer eins, Rex Allen Camblin, derzeit in Haft wegen Überfalls und Körperverletzung, im Staatsgefängnis Soledad.« Er ließ die Akte auf den Tisch segeln.
»Nummer zwei, Peter Lewis Jefferson, derzeit Arbeiter auf einer Farm in Wyoming; dortige Anwesenheit bestätigt.«
»Die Rinder tun mir leid.«
»Kann man sagen - dabei hätte er ganz gut gepaßt. Nummer drei, Darwin Ward: Du wirst es nicht glauben, aber er studiert Jura an der Pennsylvania State University.«
»Ein psychopathischer Anwalt- eigentlich nichts Besonderes.«
Milo kicherte und nahm den nächsten Ordner vom Tisch. »Numero quatro: Leonard Jay Heisinger, Bauarbeiter bei der Alaska-Pipeline. Anwesenheit bestätigt durch die Polizei in Juneau. Fünf: Michael Penn. Student an der Universität Northridge. Mit dem werden wir noch sprechen.« Er legte Penns Akte beiseite. »Sechs: Lance Arthur Shattuck, Koch für Schnellgerichte auf dem Luxuskreuzer Helena der Cunard Line, Aufenthalt bestätigt durch die Küstenwache. Das Schiff dampft seit sechs Wochen durch die Ägäis. Nummer sieben: Maurice Bruno, Vertreter der Firma Presto-Schnelldruck in Burbank - wird ebenfalls verhört.« Brunos Akte kam zu der von Penn.
»Nummer acht: Roy Longstreth, Apothekenhelfer bei der Drogeriekette Thrifty, Zweigstelle Beverly Hills. Auch mit dem werden wir uns noch befassen. Und der letzte: Gerard Paul Mendenhall, Korporal bei der Armee der Vereinigten Staaten in Tyler im Staate Texas; Anwesenheit bestätigt.« Beverly Hills war näher als Northridge oder Burbank, also fuhren wir zur dortigen Thrifty-Filiale. Die Zweigstelle war ein moderner Ziegel-und-Glas-Würfel am Canon Drive, nördlich des Wilshire Boulevards. Die Drogerie teilte sich das Gebäude mit ein paar schicken Boutiquen und einer Häagen-Daz-Eisdiele.
Milo zeigte dem Mädchen hinter der Alkoholtheke mehrmals seinen Dienstausweis, woraufhin der Geschäftsführer, ein hellhäutiger Schwarzer in mittleren Jahren, auftauchte. Er wirkte nervös und wollte wissen, ob Longstreth etwas angestellt habe. Milo hielt ihn in der klassischen Weise hin. »Wir wollen ihm nur ein paar Fragen stellen.«
Ich hatte Mühe, ein ernstes Gesicht zu zeigen, aber das Klischee schien den Geschäftsführer zu befriedigen. »Er ist jetzt nicht hier. Er hat die Abendschicht und fängt um halb drei Uhr an.«
»Dann kommen wir später wieder. Bitte sagen Sie ihm nicht, daß wir hiergewesen sind.«
Milo gab ihm seine Visitenkarte. Als wir gingen, studierte sie der Geschäftsführer wie einen Plan, auf dem ein vergrabener Schatz verzeichnet war.
Die Fahrt nach Northridge auf dem Ventura Freeway in Richtung Westen dauerte eine halbe Stunde. Als wir die Universität erreicht hatten, gingen wir direkt zur Registratur. Milo erhielt eine Kopie der Vorlesungen, die Michael Penn belegt hatte. Damit und mit seinem Photo bewaffnet, fanden wir ihn innerhalb von zwanzig Minuten, wie er mit einem Mädchen ein großes Rasendreieck überquerte. »Mr. Penn?«
»Ja?« Er war ein gutaussehender Bursche, mittelgroß, mit breiten Schultern und langen Beinen. Sein hellbraunes Haar war kurz geschnitten. Er trug ein hellblaues Lacoste-Hemd
Weitere Kostenlose Bücher