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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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später hielt ein Streifenwagen vor dem Haus, und zwei uniformierte Beamte stiegen aus. Beide waren groß, untersetzt, hatten sandfarbenes Haar und bürstenartige, strohblonde Schnauzbärte unter den Nasen. Sie kamen herüber zu uns mit ihrem bei Polizisten und sich nüchtern gebenden Betrunkenen üblichen, schwankenden Gang und sprachen kurz mit Milo. Dann gingen sie zurück zu ihrem Funkgerät.
    Die Straße war ruhig; kein lebendes Wesen war zu sehen. Das blieb auch so, als sich die drei zusätzlichen Streifenwagen und der neutrale Dodge näherten und vor dem Haus anhielten. Es kam zu einer kurzen Konferenz, die an eine Besprechung auf einem Footballfeld erinnerte, dann wurden die Dienstrevolver gezogen. Milo klingelte wieder, wartete eine Minute und trat dann die Tür ein. Der Angriff hatte begonnen. Ich blieb draußen, beobachtete und wartete. Bald hörte man, wiejemand würgte, ehe er sich übergab. Dann rannten Polizeibeamte aus dem Haus und schwärmten auf dem Rasen aus, die Hände an den Nasen- das Ganze wie in einem Film, der rückwärts lief. Ein besonders robust aussehender Streifenpolizist übergab sich in die Wacholderbüsche. Als es so aussah, als ob sich schon alle aus dem Haus zurückgezogen hätten, kam Milo an die Tür und drückte sich ein Taschentuch gegen Nase und Mund. Aber seine Augen waren frei, und sie schauten zu mir herüber. Sie ließen mir die Wahl.
    Gegen besseres Wissen nahm ich mein Taschentuch heraus, drückte es gegen meine untere Gesichtspartie und ging hinein. Die dünne Baumwolle war ein dürftiger Schutz gegen den heißen Gestank, der mir entgegenschlug, sobald ich über die Schwelle getreten war. Es roch nach einer Mischung aus Kloake und Sumpfgas, die man erhitzt und in der Luft versprüht hatte.
    Tränen stiegen mir in die Augen, und ich bekämpfte das Bedürfnis, mich zu übergeben, als ich Milos Silhouette in die Küche folgte.
    Dort saß er auf einem Plastikstuhl: Der untere Teil, der bekleidet war, sah noch menschlich aus. Der himmelblaue Geschäftsanzug, das maisfarbene Hemd mit der blauen Seidenkrawatte.
    Die dandyhaften Accessoires - das Einstecktuch in der Brusttasche, die Schuhe mit kleinen goldenen Schnallen, das goldene Armband, das ihm am Handgelenk hing - wo sich die Maden tummelten.
    Vom Hals nach oben war er das, was selbst die Pathologen wegwarfen. Es hatte den Anschein, als ob er mit einer Brechstange bearbeitet worden wäre: die ganze vordere Partie dessen, was einmal sein Gesicht war, eingeschlagen. Doch genau konnte man nicht sagen, was man diesem geschwollenen, blutigen Klumpen auf seinen Schultern angetan hatte, so weit war die Verwesung inzwischen fortgeschritten. Milo begann die Fenster aufzureißen, und ich merkte erst jetzt, daß es in dem Haus heiß war wie in einem Backofen, eine Hitze, die vom Verfall organischer Substanz herrührte. Eine schnelle Antwort auf die Energiekrise in unserem Zeitalter des sich ständig vermehrenden Verbrechens: Spar die Kilowatts, bring einen Freund um…
    Auf einmal hatte ich genug. Ich lief zur Tür, keuchte, riß mir das Taschentuch vom Gesicht, sobald ich draußen war, und atmete hungrig die kühle Nachtluft ein. Meine Hände zitterten.
    Jetzt herrschte Aufregung im ganzen Block. Nachbarn-Männer, Frauen und Kinder- waren aus ihren Burgen gekommen, hatten sich sogar bei den Abendnachrichten im Fernsehen stören lassen oder unterbrachen ihre Mikrowellen-Mahlzeiten, um die rot blinkenden Lichter anzuglotzen, das Knattern der Statik in den Lautsprechern der Streifenwagen zu hören und den Wagen des Coroners zu beobachten, der mit der kalten Autorität eines Despoten am Randstein parkte. Ein paar Kinder fuhren mit ihren Fahrrädern die Straße auf und ab. Murmelnde Stimmen wurden zum Zirpen von Wanderheuschrecken. Ein Hund bellte. Willkommen in Suburbia.
    Ich fragte mich, wo sie sich alle aufgehalten hatten, damals, als jemand in Brunos Haus eingedrungen war, seinen Schädel zu Brei geschlagen, die Fenster geschlossen und ihn alleingelassen hatte, damit er verwesen konnte. Schließlich kam Milo heraus und sah ganz grün aus. Er setzte sich auf die Treppe vor dem Haus und ließ den Kopf zwischen den Knien hängen. Nach einer Minute stand er auf und rief die Helfer des Coroners herüber. Sie waren vorbereitet hergekommen, mit Gasmasken und Gummihandschuhen, gingen mit einer leeren Bahre hinein und kamen nach einiger Zeit wieder heraus, wobei etwas auf der Bahre lag, das in ein schwarzes Plastiktuch gehüllt war.
    »Iiih.

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